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Stippvisite im Schatten des Ukraine-Konflikts

Politik

EU-Ratspräsident Charles Michel ist in Bratislava und Wien zu Gast. Tagesaktuelle Themen drängen sich dabei in den Vordergrund.


Es ist ein kleiner Mittel- und Südosteuropaschwerpunkt, den sich Charles Michel derzeit setzt. Am heutigen Dienstag traf der EU-Ratspräsident mit der serbischen Premierministerin Ana Brnabic zusammen; morgen, Mittwoch, ist er in Bratislava und Wien zu Gast. Gespräche mit Ministerpräsident Eduard Heger sowie Bundeskanzler Karl Nehammer stehen dabei auf dem Programm.

Es sind Arbeitsbesuche, die der Norm entsprechen - wenn nicht gerade die Corona-Pandemie Reisen und Zusammenkünfte unmöglich macht. Diese aber sind für die Arbeit des Europäischen Rates, des Gremiums der EU-Regierungen, immens wichtig. Michel leitet die Gipfelsitzungen der Staats- und Regierungschefs, und dass dies bei Videokonferenzen mit noch größeren Mühen als bei den persönlichen Treffen in Brüssel verbunden ist, wurde in den vergangenen knapp zwei Jahren deutlich.

Ebenso mangelte es oft an den bilateralen Gesprächen, die Michel zur Vorbereitung der EU-Gipfel entweder in Brüssel oder in den Hauptstädten führt. Diese sind hilfreich, um die Positionen auszuloten, die unter den Staaten teils weit auseinander liegen können - ob vor Budgetverhandlungen oder in den Debatten um eine Migrationspolitik. Es geht aber auch oft um eine Palette an Themen, die auf der Tagesordnung des Rates stehen. Mitte Februar etwa geht der EU-Afrika-Gipfel über die Bühne, kurz zuvor ein Sondertreffen, das unter anderem dem Komplex Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit gewidmet ist. Das ist denn auch auf die Agenda des Gesprächs mit Nehammer gesetzt.

Heikle Staatsbesuche

Dass Staatsbesuche aber auch ihre Fallstricke haben können, wurde Michel vor einem knappen Jahr wieder einmal bewusst - obwohl der Belgier als langjähriger Minister und Premier sowie Sohn des früheren Außenministers und EU-Kommissars Louis Michel über reichlich diplomatische Erfahrung verfügt. Bei einer Unterredung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan setzte sich Michel sofort neben den Staatschef - und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen musste auf einem breiten Sofa etwas abseits Platz nehmen. Empörung und gar Vorwürfe des Sexismus waren in Brüssel die Folge. Michel brauchte einige Zeit, um sich zu einer Entschuldigung durchzuringen.

Beobachter orten überhaupt eine Rivalität mit von der Leyen, die Michel auch vor wenigen Monaten brüskierte, indem er den Bau von Mauern und Absperrungen an den EU-Außengrenzen indirekt befürwortete - was die EU-Kommission ablehnt. Es mag auch an den Ämtern selbst liegen: Der Rat ist zwar ein mächtiges Gremium, weil es ohne die Regierungen keine Entscheidungen gibt. Doch die Kommission, an deren Spitze von der Leyen steht, verfügt über ein Milliarden-Euro-Budget und tausende Beamte.

Geschlossenheit nötig

Dennoch müssen derzeit alle EU-Institutionen Einigkeit demonstrieren. Denn der Ukraine-Konflikt überschattet etliche Bereiche - und es gilt, gegenüber Russland geschlossen aufzutreten. Dabei überließ Michel in den vergangenen Tagen und Wochen die Wortmeldungen eher von der Leyen und dem EU-Außenbeauftragten, Josep Borrell.

Trotzdem wird wohl auch dieses Thema bei den Treffen in Bratislava und Wien zur Sprache kommen. (czar)