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Johnson sagt "sorry"

Von Michael Schmölzer

Politik

Affäre um Lockdown-Partys: Gray-Report verstärkt Druck auf britischen Premierminister.


Unzählige Male hat der in Bedrängnis geratene britische Premier Boris Johnson seine Kritiker ermahnt, doch auf das Ergebnis des Untersuchungsberichtes zu warten. Die Anschuldigungen, der Tory-Politiker habe mitten im Corona-Lockdown illegal Partys gefeiert, stehen im Raum - und wiegen schwer. Am Montag schließlich lag der stark zensierte Bericht der ermittelnden Beamtin Sue Gray schließlich vor, die Vorwürfe sind tatsächlich beachtlich.

"Fehlende Führung"

Es ist in dem Dokument von "fehlender Führung" ebenso die Rede wie von "exzessivem Konsum alkoholischer Getränke", was an einem professionellen Arbeitsplatz "zu jeder Zeit nicht angemessen" sei. Die Schlüsse, so der Gray-Report, müssten rasch gezogen werden, die Untersuchungen der Polizei dürften nicht abgewartet werden. Klar ist für Gray auch, dass die Verantwortlichen "versagt" hätten. Der Report spricht davon, dass einige Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den Partys "schwierig zu rechtfertigen" seien. Gray führt in dem Bericht an, dass Mitarbeiter Johnsons hinsichtlich der Partys Einwände hatten und diese ins Treffen führen wollten, damit aber auf taube Ohren gestoßen wären. Die Rede ist auch von krassen Fehlentscheidungen an verschiedenen Stellen in Downing Street 10. In der Untersuchung wird festgestellt, dass das an den Tag gelegte Verhalten nicht dem entsprochen habe, was sich die britische Bevölkerung von seinen politisch Verantwortlichen erwartet habe.

Der Gray-Report führt an, dass der Garten in Downing Street Nummer 10, wo sich der Amtssitz des Premiers befindet, für Zusammenkünfte genutzt worden war, die "nicht angemessen" gewesen wären. Eine ganze Reihe von Veranstaltungen hätte "nicht so stattfinden dürfen, wie sie stattfanden".

Die mit den heiklen Untersuchungen beauftragte Beamtin verweist gleichzeitig darauf, dass sie über die Belange, die derzeit von der Polizei untersucht werden, nur sehr wenig sagen könne. In der Tat hat die britische Polizei im Vorfeld gebeten, keine weiteren explosiven Details preiszugeben, um die laufenden Ermittlungen nicht zu behindern. Scotland Yard hat überdies bestätigt, dass entsprechende Untersuchungen aufgenommen worden sind. Es besteht weiter die Möglichkeit, dass die Verantwortlichen mit Strafen belegt werden und Johnson als Premier ungeschoren davonkommt. Die Opposition forderte eine vollständige Veröffentlichung aller Erkenntnisse.

Johnson lehnt Rücktritt weiterhin kategorisch ab

Britische Experten waren nach der Veröffentlichung des Reports der Ansicht, dass dieser mehr als heikel für den politisch bereits angeschlagenen Premier sei. Im Zentrum steht weiter die Frage, ob Johnson das britische Parlament vorsätzlich in die Irre geführt hat oder nicht. Unklar war vorerst auch, ob eine ausreichende Zahl an konservativen Abgeordneten dem Politiker das Misstrauen aussprechen würden.

Der Regierungschef war am Montag vor dem Parlament in London bemüht, die Sache irgendwie zu bereinigen. Er entschuldigte sich mit "sorry" und sicherte den Abgeordneten zu, die im Bericht angesprochenen Missstände aus der Welt schaffen zu wollen. Zurücktreten werde er nicht. Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Party ließ sich von den Beteuerungen wie erwartet nicht beeindrucken. Er verwies auf das kollektive Trauma, das das Land in der Corona-Krise erlebt habe, und bezeichnete Johnson als für sein Amt ungeeignet. Der Premier solle das einzig Richtige tun und zurücktreten. Er tue das nicht, weil er kein Schamgefühl habe. Das Amt erfordere moralische Autorität, Verantwortungsbewusstsein und Integrität, so Starmer.

Tatsache ist, dass Johnson im Dezember, auf eine Weihnachtsfeier angesprochen, vor dem Parlament erklärt hatte, dass alle Regeln "vollständig befolgt" worden wären. Was eine große Zahl an Briten empört, ist der Eindruck, dass die politische Elite des Landes nicht bereit ist, die von ihnen beschlossenen und von der Bevölkerung zu beachtenden Regeln selbst zu respektieren.

Johnson hat mittlerweile zugegeben, am 20. Mai 2020 an einer Gartenparty teilgenommen zu haben. Er entschuldigte sich zuletzt auch dafür. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um eine Arbeitsbesprechung gehandelt habe. Er sei für etwa 25 Minuten dabei gewesen, um Mitarbeitern zu danken. Im Nachhinein hätte er alle wieder reinschicken sollen. Wenig später entschuldige sich der Premier auch bei der Queen persönlich für sein Verhalten.

Johnsons Ex-Berater Dominic Cummings wirft Johnson explizit vor, gelogen zu haben. Der Premierminister habe von der Party am 20. Mai 2020 Kenntnis gehabt, schreibt Cummings in seinem Blog. Der Premier sei gewarnt worden, die Party stattfinden zu lassen.

Mittlerweile ist ein Machtkampf bei Johnsons Tories im Gange. Der einflussreiche Abgeordnete Tom Tugendhat warf am vergangenen Samstag seinen Hut in den Ring, um Johnsons Nachfolger zu werden. Auch Ex-Premierministerin Theresa May, eine Parteikollegin Johnsons, übte vernichtende Kritik.

Johnsons Verbündete haben für den Fall eines erfolgreichen Misstrauensvotums vor einer Neuwahl gewarnt. Das könnte viele Tory-Mandatare abschrecken, denn die Umfragewerte für die Konservativen sind am Boden. Johnson versucht, dem Gewitter zu entkommen. Er wird am Dienstag in der Ukraine erwartet.