Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa hat EU-Kommissar Janez Lenarcic vorgeworfen, gegen nationale Interessen seines Heimatlandes zu agieren. Lenarcic gefährde EU-Gelder aus dem Wiederaufbaufonds, indem er sich dafür einsetze, dass ihre Ausschützung mit Bedingungen bezüglich der Rechtsstaatlichkeit verknüpft werden, sagte Jansa am Montag im Parlament in Ljubljana. Generalstaatsanwalt Drago Sketa warf er diesbezüglich sogar vor, einen "Staatsstreich" zu planen.
Die Ausschüttung von EU-Geldern ist seit heuer an einen Rechtsstaatsmechanismus geknüpft, der insbesondere von Polen und Ungarn kritisch gesehen wird. Die beiden postkommunistischen Staaten haben schon seit Jahren Rechtsstaatsprobleme, und es laufen auch entsprechende Sanktionsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Unter Jansa ist auch Slowenien ins schiefe Licht gerückt. Dem konservativen Regierungschef werden insbesondere Angriffe auf die Medienfreiheit und Justiz vorgeworfen.
Lenarcic wurde noch von der Vorgängerregierung unter dem liberalen Politiker Marjan Sarec in die EU-Kommission geschickt. So wie alle Mitglieder der Brüsseler Behörde ist der frühere langjährige Leiter der slowenischen EU-Vertretung dazu angehalten, sein Amt unabhängig von nationalen Interessen auszuüben.
Jansa hat diesbezüglich offenbar andere Erwartungen. "Ein Mann, der von einem Land in die Europäische Kommission entsendet wird, wo er 20.000 Euro im Monat bekommt, gefährdet nun die Mittel für dringend benötigte Infrastrukturinvestitionen in diesem Land", sagte Jansa mit Blick auf Lenarcic.
Auch Sketa Maßnahmen gegen Slowenien
Ähnliche Vorwürfe erhob er gegen Sketa wegen eines Schreibens an die EU-Staatsanwaltschaft (EPPO). Auf Basis von Sketas Schreiben wird laut Jansa gefordert, dass die EU-Mittel an Bedingungen geknüpft bzw. blockiert werden. "Das grenzt an einen Staatsstreich", kritisierte der Premier. Sketa wies die Anschuldigungen zurück. Er habe "weder mündlich noch schriftlich jemandem vorgeschlagen, Maßnahmen gegen Slowenien zu ergreifen", sagte der Generalstaatsanwalt am Dienstag vor Journalisten, wie die Nachrichtenagentur STA berichtete.
Der auf Anfrage der EU-Generalstaatsanwältin Laura Kövesi verfasste Brief habe nur bereits öffentlich bekannte Informationen über Tatsachen und Umstände erhalten, die die Autonomie und Unabhängigkeit der slowenischen Staatsanwaltschaft beeinträchtigen könnten, betonte Sketa. Kövesi soll das Schreiben der EU-Kommission vorgelegt haben.
EU-Kommissar Lenarcic geriet schon im vergangenen Sommer wegen seinen Äußerungen über die Sorgen Brüssels bezüglich der Unabhängigkeit von Medien und Staatsanwälten in Slowenien heftig unter Beschuss aus Ljubljana. Vorwürfe, er würde sich dafür einsetzen, dass die EU-Gelder mit Auflagen bezüglich der Rechtsstaatlichkeit verknüpft werden, wies er wiederholt zurück. Erst vergangene Woche sagte er slowenischen EU-Korrespondenten, dass niemand den slowenischen Wiederaufbauplan blockieren wollte. Das Protokoll eines Kommissionstreffens, das als Beweis für die Anschuldigungen angegeben wird, bezeichnete er als "kein glaubwürdiges Dokument", berichtete die STA.
Vielmehr wertete er seine Aussagen aus dem Vorjahr als Mahnung, dass die Aussetzung der Finanzierung der nationalen Nachrichtenagentur STA und die Nichternennung von delegierten Staatsanwälten für die EPPO für Slowenien Probleme bei der Inanspruchnahme der EU-Mittel bereiten könnte. "Meine Warnungen waren sorgfältig formuliert, aber sie wurden mit einer unangemessenen und unanständigen Reaktion beantwortet", sagte er laut STA. Jansa beschuldigte ihn bereits damals, dem eigenen Land schaden zu wollen. Innenminister Ales Hojs sprach in Anspielung auf Lenarcic sogar davon, eine "bestimmte hochrangige Person in der EU-Bürokratie" eventuell als "Schwein" bezeichnen zu wollen. Der Staatssekretär für nationale Sicherheit, Zan Mahnic, warf Lenarcic vor, ein "inkompetenter Bürokrat" zu sein.
Die Kritik gegen Lenarcic wurde nach seinem Gespräch mit slowenischen Brüssel-Korrespondenten wieder lauter. Regierungsnahe Medien werfen ihm vor, sich in die bevorstehende slowenische Parlamentswahl einzumischen. Der EU-Kommissar drückte nämlich die Hoffnung aus, dass bei der Wahl in April jene Kräfte siegen würden, die sich aufrichtig für grundlegende EU-Werte wie die Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Er mahnte auch vor Rückkehr zu einer Einparteienherrschaft, wie man sie Slowenien in der Vergangenheit (unter dem kommunistischen Regime, Anm.) bereits erlebt hatte.