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Polens Präsident will mit Gesetzesentwurf EU-Streit beenden

Politik

Andrzej Duda hofft, dass so zurückgehaltene finanzielle Mittel für Polen freigegeben werden.


Es ist zumindest ein kleiner Schritt zurück. Im Streit zwischen Warschau und Brüssel um die Rechtsstaatlichkeit, weicht Polens Staatspräsident Andrzej Duda von der harten Haltung der nationalkonservativen Regierung ab. Er stellte am Donnerstag einen Gesetzesentwurf vor, der die Abschaffung der Disziplinarkammer für Richter vorsieht. Um das Gremium, dessen Umbau Teil der umstrittenen Justizreformen in dem Land war, war ein erbitterter juristischer Zwist entbrannt.

Die Kammer am Obersten Gericht kann Verfahren gegen Richter und Staatsanwälte führen und diese versetzen oder entlassen. Die EU-Kommission fürchtete um die Unabhängigkeit des Gremiums, weil dessen Mitglieder vom Landesjustizrat ausgewählt werden, der wiederum mittlerweile im Parlament - und damit von Politikern - mitbestimmt wird. Davor hatten Richter das entscheidende Wort. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) teilt die Sorgen und ordnete mehrmals an, dass das Gremium seine Arbeit suspendieren müsse. Da diese nicht völlig gestoppt wurde, hat der EuGH Warschau zu Strafzahlungen verurteilt.

Kostspielige Konfrontation

Duda schlug nun einen Kompromiss vor, der einen Ausweg aus der festgefahrenen Situation bieten könnte, aber noch vom Parlament in Warschau gutgeheißen werden müsste. Der Präsident begründete es damit, dass einerseits das Oberste Gericht wieder voll funktionstüchtig werden und auf der anderen Seite der Justizstreit mit der EU-Kommission beendet werden sollte. Dieser Streit sei unnötig, befand er.

Er kann Polen auch viel Geld kosten. Denn die EU kann Förderungen zurückhalten, wenn das Land die Millionen-Euro-Strafen nicht zahlt. Zuletzt erhielt es aus dem EU-Haushalt gut 18 Milliarden Euro pro Jahr, außerdem kann es mit fast 24 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds rechnen.

Duda plädiert nun dafür, die Disziplinarkammer abzuschaffen und deren Richtern freizustellen, in den Ruhestand oder zu anderen Kammern des Obersten Gerichts zu wechseln. Disziplinarverfahren sollen künftig in einem neuen Ausschuss behandelt werden, dem elf per Los bestimmte Richter des Obersten Gerichtshofes angehören würden.

Der Schritt Dudas ist insofern bemerkenswert, dass der Präsident, der aus den Reihen der Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) stammt, lange Zeit alle Reformen abgenickt hatte und nicht mit eigenen Initiativen aufgefallen war. Er befindet sich aber schon in seiner zweiten – und damit letzten – Amtsperiode.

Die polnische Richtervereinigung erklärte allerdings, durch den Gesetzentwurf werde sich wenig an der politisch motivierten Ernennung von Richtern ändern, das Chaos in der Justiz aber vergrößert. Denn der elfköpfige Ausschuss werde wohl weiterhin von einem mit den Regierunsfraktionen verbundenen Gremium bestimmt, stellte ein Sprecher fest.

Schon zuvor müssten aber weitere politische Hürden überwunden werden, nicht nur im Parlament. Denn es ist gerade der Justizminister, der sich im Zwist mit der EU besonders unerbittlich zeigt. Zbigniew Ziobro und seine ultrakonservative Partei Solidarisches Polen (Solidarna Polska) sind gegen jegliche Konzessionen.

Zwist mit Tschechien ausgeräumt

Immerhin gibt es in einem anderen Streit, der ebenfalls den EuGH erreicht hatte, eine Verständigung. Die Regierungen Polens und Tschechiens einigten sich im Tauziehen um den Ausbau des polnischen Braunkohletagbaus Turow. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten der tschechische Premier Petr Fiala und sein polnischer Amtskollege Mateusz Morawiecki in Prag. Das Abkommen sieht unter anderem den Bau eines Erdwalls gegen die Lärmbelästigung und finanzielle Ausgleichszahlungen in Höhe von 45 Millionen Euro vor.

Der Kohleabbau und das benachbarte Kraftwerk sind eine wichtige Energiequelle für Polen. Für Tschechien jedoch bedeutet es Umweltschäden. Prag hatte deswegen Warschau vor dem EuGH verklagt, der Polen zu einer Geldstrafe von täglich 500.000 Euro verurteilt hat. Am Donnerstag kündigte Premier Fiala an, die Klage werde zurückgezogen.

Die wegen der Disziplinarkammer verhängten Zahlungen sind übrigens doppelt so hoch. Die erste Rechnung, die die Kommission an Warschau im Jänner geschickt hatte, belief sich auf 69 Millionen Euro. (czar/reu)