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Macron und die Sprache Europas

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik
Macron will weiter ein Antreiber der EU sein.
© reuters / L. Marin

Frankreichs Präsident plädiert für neue "europäische Gemeinschaft" mit Ukraine - und dämpft damit Hoffnungen auf raschen EU-Beitritt.


Es handle sich nicht um eine "Sorbonne-Rede, die zweite", hieß es - denn "zweite Reden" seien selten besser als das Original. Emmanuel Macrons Berater warnten schon vorab davor, die Ansprache des französischen Präsidenten im Straßburger EU-Parlament an der programmatischen Europa-Rede zu messen, die der Politiker 2017 in der Pariser Sorbonne-Universität gehalten hatte. Dieser Auftritt war in Erinnerung geblieben durch die Leidenschaft, mit der der noch frisch gewählte Macron seine Vision eines immer stärker zusammenwachsenden Europas skizziert hatte. Auch wenn es die EU-Partner und vor allem Deutschland in der Folge an Begeisterung für seine Ideen fehlen ließen.

Damals hatte der Präsident fast zwei Stunden Zeit gegenüber rund einer halben Stunde am Montag im EU-Parlament. Der Rahmen war dieses Mal institutioneller, sprach Macron doch am Europatag - parallel zum "Tag des Siegs" gegen Nazi-Deutschland, den Russland zelebrierte. Und er vertrat Frankreich als das aktuelle EU-Vorsitzland zum Abschluss der Zukunftskonferenz, die ein Jahr zuvor gestartet wurde.

800 ausgeloste Bürgerinnen und Bürger hatten mehr als 300 Vorschläge zu neun Themenblöcken ausgearbeitet, um die EU zu reformieren - von der Umstellung auf erneuerbare Energien über die Einführung eines EU-weiten Rechts auf Gesundheitsversorgung bis zum Wahlrecht ab 16 Jahren bei EU-Wahlen. Das Format regte Macron selbst an, der zuvor in Frankreich in einer ähnlichen Initiative Ideen zur Klimapolitik gesammelt hatte, um die Menschen wieder näher an die Politik heranzuführen. Nun versicherte er allen Teilnehmern, es handele sich nicht um ein Ende ihrer Arbeit, sondern einen "Strichpunkt": Die Vorschläge würden weitergetragen und nach Möglichkeit umgesetzt.

Treffen mit Scholz

Aber auch wenn die Erwartungen niedriger waren als vor der Sorbonne-Rede - ambitioniert und feurig trat der 44-Jährige erneut auf. Die französische Präsidentschaftswahl im April hatte er selbst zu einem "Referendum über Europa" ausgerufen. Mit seinem Wahlsieg im Rücken bekräftigte er im EU-Parlament seinen Anspruch, weiterhin ein Antreiber der EU zu sein. Und das nicht nur mit wohlklingenden Formulierungen wie seiner Definition Europas: "Es sind erst verrückte Träume und nie dagewesene Ambitionen und dann die kollektive Fähigkeit, Kompromisse zu bauen, die manchmal mühsam, aber die Sprache Europas sind."

Auch reagierte er mit einem konkreten Vorschlag auf die Debatte darüber, wie mit den Beitrittsanträgen der Ukraine, Georgiens und Moldawiens umzugehen sei. Die Verfahren würden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, befand Macron: Der Beitritt könne daher nicht das einzige Mittel sein, ein Land an die EU zu binden. Vielmehr gelte es, "die Organisation unseres Kontinents neu zu denken" und eine "europäische politische Gemeinschaft" als neuen "Kooperationsraum" zu gründen.

Durch ihren Kampf und ihren Mut sei die Ukraine längst "ein Herzensmitglied unseres Europas, unserer Familie, unserer Union": So verknüpfte Macron seine persönliche Absage an einen raschen EU-Beitritt des Landes. Die Ereignisse dort sollten dann auch im Gespräch mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz erörtert werden, den Macron am Abend in Berlin zu seinem ersten Auslandsbesuch seit der offiziellen Amtseinführung am Samstag traf.