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Der Präsident geht voran beim Nato-Kurswechsel

Von Alexander Dworzak

Politik

Lange hielt Sauli Niinistö an der militärischen Bündnisfreiheit fest. Nun wird die offizielle Abkehr erwartet.


Als sich Sauli Niinistö Anfang 2018 seiner Wiederwahl als finnischer Staatspräsident stellte, befürwortete mit Nils Torvalds lediglich ein Kandidat offen den Beitritt des Landes zur Nato. Niinistö wurde in seiner Amtszeit zwar als erster Präsident Finnlands im Nato-Hauptquartier in Brüssel empfangen. Gleichzeitig stand der Jurist für den traditionellen Weg der Außenpolitik Helsinkis, indem er gute Beziehungen nach Russland pflegte - auch zu Präsident Wladimir Putin. Die Hauptgefahr für Finnland sah Niinistö nicht im Kreml, sondern im Klimawandel.

Das Wahlergebnis sprach dann Bände: Torvalds wurde Letzter mit 1,5 Prozent der Stimmen. Niinistö setzte sich im ersten Wahlgang durch, erreichte knapp 63 Prozent und somit 50 Prozentpunkte mehr als der Zweitplatzierte.

Zu jener Zeit befürwortete nur rund ein Fünftel der Finnen die Nato-Mitgliedschaft. Heute sind es mehr als 60 Prozent.

Bevölkerung und Politik hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine kalt erwischt: Er sei völlig überrascht gewesen, gab Niinistö im April zu. Trotz einer traditionell gut ausgestatteten Armee, die auf 300.000 Reservisten bei 5,5 Millionen Einwohnern zurückgreifen kann, hieß es für die Parteien und den Staatschef, ihre sicherheitspolitischen Überlegungen auf den Prüfstand zu stellen. Teilt doch Finnland 1.343 Kilometer Grenze mit Russland - so viel wie kein anderer EU-Staat.

Am Dienstag empfahl der Verteidigungsausschuss des Parlaments den Beitritt zur Nato. Die nationale Sicherheit sei damit am besten gewährleistet und die Abschreckung gegen russische Aggressionen würde deutlich erhöht. Für Donnerstag ist ein Statement Niinistös geplant, am Wochenende will sich Premierministerin Sanna Marin äußern. Alles deutet darauf hin, dass auch Niinistö für den Nato-Beitritt plädiert, verkündete er doch bereits: "Die Dinge haben sich verändert."

Die Gattin verloren, knapp dem Tsunami entkommen

Der 73-Jährige verfügt über Autorität und genießt Popularität, daran ändert auch die Abkehr von einer jahrzehntelangen Position nichts. Niinistö hat reichlich politische Erfahrung gesammelt, wurde 1987 erstmals ins Parlament gewählt. Er diente ein knappes Jahr als Justizminister, von 1996 bis 2003 war er Verteidigungsminister. Nach einem Zwischenspiel als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank wechselte er zurück nach Helsinki und war von 2007 bis 2011 Parlamentspräsident. Bei seiner ersten Präsidentschaft ab 2012 noch als Kandidat der konservativen Sammlungspartei angetreten, amtiert er seit 2018 als Unabhängiger.

Der erfolgreiche Politiker hatte aber auch einen privaten Schicksalsschlag zu verkraften: Seine Frau Marja-Leena starb 1995 bei einem Verkehrsunfall. In seinem Buch "Fünf Jahre Einsamkeit" arbeitete Niinistö den Verlust und die Erfahrung als alleinerziehender Vater von zwei Söhnen auf. Mit den beiden Kindern urlaubte er 2004 in Thailand, als der Tsunami wütete. Niinistö und ein Sohn kletterten auf einen Telefonmast, der andere Sohn rettete sich auf ein Hoteldach.

Die Kostbarkeit eines Menschenlebens weiß Niinistö einzuschätzen. Entsprechend wichtig ist ihm die Sicherheit der Bürger. Dass diese in der Nato besser gewährleistet ist als in der militärischen Bündnisfreiheit, bedeutet eine Zäsur für Finnland - das diesen Weg womöglich gemeinsam mit Schweden bestreiten wird. Niinistö macht aber klar, dass Finnland bereit sei, auch ohne den großen Nachbarn den Schritt in die Nato zu gehen.