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Der Kanzlerbonus gilt nicht mehr

Von Klaus Huhold

Politik

Niederlage von SPD und FDP in Nordrhein-Westfalen wird Auswirkungen auf Bund haben. Gewinner sind CDU und Grüne.


Der Kanzlereffekt hat nicht gewirkt, ganz im Gegenteil. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland in Deutschland, hat sich SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty auf Plakaten mit dem Kanzler Olaf Scholz ablichten lassen. Am Ende setzte es aber eine herbe Niederlage für die Sozialdemokraten, die lediglich 26,7 Prozent der Stimmen einfuhren.

Gewinner waren die CDU, die mit 35,7 Prozent stimmenstärkste Partei wurde, und die Grünen, die mit rund 18 Prozent ihr Ergebnis von 2017 verdreifachen konnten. Am Montag, dem Tag eins nach der Wahl, sah auch alles danach aus, dass künftig eine schwarz-grüne Koalition das Bundesland mit den einstigen Kohlehochburgen im Ruhrpott regieren würde. "Das Wählervotum ist eindeutig", sagte der CDU-Spitzenkandidat Hendrik Wüst und stellte so den Führungsanspruch.

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Eine Fortsetzung der bisherigen Regierung aus CDU und FDP geht sich nicht mehr aus, weil auch die Liberalen mit lediglich 5,9 Prozent enorme Stimmverluste erfuhren. Eine theoretisch mögliche rot-schwarze große Koalition gilt als äußerst unbeliebt. Somit bleibt eigentlich nur noch ein schwarz-grünes Bündnis. Denn die Möglichkeit, die CDU noch durch die Bildung einer Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen vom Regieren abzuschneiden, hat die FDP bereits mehr oder weniger ausgeschlossen. "Zu einer Demokratie gehören auch anständige Verlierer", sagte der Spitzenkandidat der Liberalen, Joachim Stamp. "Wir werden jetzt in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-grüne Regierung bekommen."

Der Wahlausgang ist auch ein Erfolg für CDU-Chef Friedrich Merz. Seine Partei hat nun auch bundespolitisch mehr Gestaltungsspielraum. Denn wer in Nordrhein-Westfalen die Oberhand hat, ist auch bundespolitisch massiv gestärkt, weil er im Bundesrat mehr Gewicht hat. Dieser muss in Deutschland allen Gesetzen, die die Bundesländer stark betreffen, zustimmen.

Aber auch ganz persönlich ist das Ergebnis für Merz ein Erfolg, der selbst aus Nordrhein-Westfalen stammt und sich im Wahlkampf stark eingebracht hat. Merz ist erst seit Anfang des Jahres CDU-Vorsitzender und kämpft seitdem darum, die Partei zu konsolidieren. Dabei ist das Ergebnis "für ihn ein hoher Punktsieg", sagt der Politologe Stefan Marschall von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf der "Wiener Zeitung".

Ungläubige Blicke bei den Grünen

Der zweite große Gewinner der Wahl sind die Grünen, deren Spitzenkandidatin Mona Neubaur bei der Verkündung der Ergebnisse fast schon ungläubig auf den hohen grünen Balken blickte. Die Ökopartei würde mit der Energiewende derzeit ein "Gewinnerthema" besetzen, erklärt Marschall.

Durch den Ukraine-Krieg und der Abhängigkeit vom russischen Gas ist der Klimaschutz nun auch mit dem Thema Energiesicherheit verwoben. Und das lässt offenbar viele Wähler ihr Kreuz bei den Grünen machen.

Darüber hinaus haben die Grünen "offenbar gut ausgewähltes politisches Personal, das hohe Anerkennung findet", sagt Marschall. Das gelte nicht nur für Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck, die auf Bundesebene die höchsten Beliebtheitswerte auf weisen. "Auch auf Landesebene haben die Grünen Personal gefunden, das sehr gut ihre neue pragmatische Position vermitteln kann", konstatiert Marschall.

Generell hat auch für die Wahl in Nordrhein-Westfalen der russische Angriffskrieg in der Ukraine eine Zeitenwende bedeutet. Waren zuvor landespolitische Themen wie Bildung oder Verkehr präsent, standen plötzlich Themen wie Aufrüstung oder die gestiegenen Energiepreise im Mittelpunkt. "Selten waren bundespolitische Themen in einem Landeswahlkampf so dominant", berichtet Marschall.

Für die SPD bedeute das, dass offenbar auch der nach dem Sieg bei der Bundestagswahl erhoffte sozialdemokratische Aufbruch jäh eingebremst wurde. Schon vor einer Woche bei der Wahl in Schleswig-Holstein ist die SPD weit hinter der auch dort siegreichen CDU geblieben. Bundeskanzler Scholz ist nun in einem Land, das etwa in der Frage zu Waffenlieferungen an die Ukraine tief gespalten ist, der oberste Krisenmanager. Dabei wird seine abwägende, oft zögerliche Haltung ganz offenbar nicht goutiert.

Aber auch für die FDP, die mit den Grünen ebenfalls der Regierungskoalition im Bund angehört, war die Wahl ein Tiefschlag. Das wird "Diskussionen zur Folge haben, wie man sich deutlicher profiliert", sagt Marschall. Allerdings sind die Liberalen in einer schwierigen Lage. Denn die FDP rund um ihren Chef, Finanzminister Christian Lindner, hat sich selbst die Rolle zugeschrieben, dass sie für eine Konsolidierungs- und Stabilisierungspolitik in der Finanzpolitik steht. Doch der Ukraine-Krieg hat Dynamiken gebracht, die das kaum mehr möglich machen.