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Wahlsieger Macron braucht weiteren Sieg

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Vom Ausgang der Parlamentswahlen hängt ab, ob Frankreichs Präsident sein Programm umsetzen kann.


Frankreichs Präsidentschaftswahl findet in zwei Gängen statt, und im April endete sie mit dem Sieg des Amtsinhabers Emmanuel Macron. Der Linkspopulist Jean-Luc Melenchon hat allerdings eine andere Lesart. "Die dritte Runde beginnt nun", verkündete er vor zwei Monaten, als er mit 22 Prozent der Stimmen nur knapp die Stichwahl verpasste. Der Chef der linksradikalen Partei La France Insoumise (Unbeugsames Frankreich), kurz LFI, bezog sich dabei auf die Parlamentswahlen an den kommenden zwei Sonntagen.

Melenchons Kalkül: Sollte es ihm gelingen, die stärkste Fraktion in der Nationalversammlung zu bilden, könnte er Macrons Premierminister werden und die Regierung mit Leuten aus den Reihen seiner Partei besetzen. Dafür schmiedete er die Allianz Nupes - Neue ökologische und soziale Volksunion - mit den Sozialisten, den Grünen und den Kommunisten. Die Verbündeten teilten die Wahlkreise untereinander auf, um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen, und einigten sich auf ein Programm. Hauptforderungen sind ein monatlicher Mindestlohn von 1.500 Euro (gegenüber aktuell rund 1.300 Euro netto), Pension ab 60 Jahren (anstatt derzeit 62) und die Deckelung der Preise von Benzin und bestimmten Produkten des täglichen Bedarfs. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire warnte schon davor, das Projekt würde das Land "geradewegs in den Ruin treiben".

Eingeschränkte Macht

Besonders für Aufsehen sorgte, dass Nupes für "europäischen Ungehorsam" gegenüber manchen EU-Richtlinien, vor allem zur Finanz- und Schuldenpolitik, eintritt und sich die proeuropäischen Grünen und Sozialisten dem EU-Kritiker Melenchon hierbei unterordneten. Dieser, so vereinbarte es das Linksbündnis, soll denn auch im Falle eines Siegs Premierminister werden. Würde Macron das verweigern, könnte das Parlament der Regierung das Misstrauen aussprechen.

In jedem Fall kämen auf Frankreich stürmische Zeiten zu. Zwar gesteht die französische Verfassung dem Präsidenten weitreichende Kompetenzen vor allem in der Außen- und Verteidigungspolitik zu. Im Fall einer Kohabitation, wenn das Staatsoberhaupt nicht über eine eigene Mehrheit im Parlament verfügt, ist seine Macht hingegen deutlich eingeschränkt. Das macht die anstehenden Wahlen so wichtig für Macron. Ihr endgültiger Ausgang ist schwer vorhersehbar, da es sich im Grunde um 577 lokale Abstimmungen handelt - so viele Wahlkreise und Abgeordnetensitze gibt es. Wer in der ersten Runde mindestens 12,5 Prozent der Stimmen erhält, qualifiziert sich für den zweiten Durchgang eine Woche später.

2017 erreichte Macron mit seiner erst ein Jahr zuvor gegründeten Partei La Republique en marche (LREM, Die Republik in Bewegung) eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Das überraschte viele Beobachter, zeigte aber, dass die Wähler dem jungen Präsidenten eine stabile Basis geben wollten.

Zweikampf um Mandate

So einfach dürfte es diesmal nicht mehr werden: Der Zauber des Neuen ist verpufft; viele sind von Macron enttäuscht, auch wenn sie bei der Präsidentschaftswahl mangels überzeugender Alternativen für den Amtsinhaber stimmten. Um seine Chancen zu erhöhen, schloss sich dieser mit der proeuropäischen Zentrumspartei MoDem (Mouvement Democrate) sowie den liberalen Bewegungen Agir (Handeln) und Horizons zusammen. Laut Umfragen liegen das Mitte-Bündnis und Melenchons Nupes mit 27 bis 28 Prozent in der ersten Runde ungefähr gleichauf. Marine Le Pens Rassemblement National kann mit rund 20 Prozent in der ersten Runde rechnen, doch dürfte es im zweiten Wahlgang mangels Bündnispartnern und lokaler Verankerung höchstens 40 der 577 Sitze im Parlament erobern. Die konservativen Republikaner, die bei der Präsidentschaftswahl mit 4,8 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis einfuhren, stellen sich darauf ein, mindestens die Hälfte ihrer aktuell rund 100 Mandate zu verlieren.

Alle Augen richten sich daher auf den Kampf zwischen LREM und Nupes um die Abgeordnetensitze. Denn auch wenn Melenchons Bild von der "dritten Wahlrunde" schief ist - von diesen Urnengängen hängt Macrons Handlungsfähigkeit in den nächsten fünf Jahren ab.