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Europas Richter ziehen wegen Polens Justizreform vor Gericht

Politik

Kritik an Genehmigung der Auszahlung von Milliarden Euro schweren EU-Fördermitteln.


Richter, die im Namen ihrer Kollegen vor Gericht klagen: Der Zwist um die Justizreform in Polen ist nun um eine Facette reicher. Am Wochenende reichten vier europäische Richterorganisationen eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Sie wenden sich gegen den EU-Beschluss, Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds für Polen zu entsperren. Der Rat, das Gremium der Mitgliedstaaten, hat die Auszahlung des Geldes an drei "Meilensteine" geknüpft.

Diese Bedingungen bleiben aber hinter den Voraussetzungen zurück, die für die Unabhängigkeit der Justiz wichtig seien, argumentieren die vier Organisationen, zu denen die Vereinigung Europäischer Verwaltungsrichter und die Europäische Richtervereinigung zählen. Gegen die Entscheidung des Rates richtet sich die Klage vor dem EuGH.

Die Luxemburger Richter selbst haben schon mehrere Urteile zu Polens Justiz gefällt. Denn das Ringen um die Unabhängigkeit der Gerichte währt bereits seit Jahren. Die EU-Kommission hat ein Verfahren zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen gestartet, der EuGH hat mehrere Punkte der von der nationalkonservativen Regierung in Warschau eingeleiteten Reform für unvereinbar mit EU-Recht erklärt. Begonnen hat der Zwist mit umstrittenen Postenbesetzungen am Verfassungsgericht und zog sich bis zu Disziplinarregeln für Richter hin.

EU-Urteil nicht umgesetzt

Doch die Zugeständnisse, zu denen Polens Kabinett bereit war, reichen aus Sicht von Kritikern – im In- und Ausland – nicht aus, um die Versuche politischer Einflussnahme auf die Gerichte einzudämmen und damit die Unabhängigkeit der Richter wieder zu stärken. Wegen der Nicht-Abschaffung der Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof in Warschau wurde Polen sogar zu Strafzahlungen verurteilt. EU-Fördermittel und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien wurden miteinander verknüpft.

Dennoch kam es im Juni zu einem EU-Kompromiss, der es ermöglichte, die Blockade der Förderungen aufzuheben. Immerhin geht es um Zuschüsse in Höhe von knapp 24 Milliarden Euro und weitere gut elf Milliarden Euro an zinsgünstigen Darlehen. Als Bedingungen für die Auszahlung wurden unter anderem die Auflösung der Disziplinarkammer und die Überprüfung der Fälle der Richter genannt, die von den Entscheidungen dieser Kammer betroffen sind.

Das aber hinke einem EuGH-Urteil hinterher, wonach suspendierte Richter, die in einem rechtswidrigen Disziplinarverfahren abgestraft wurden, ohne Verzögerung wieder eingesetzt werden müssten. Dass dieser Spruch nicht umgesetzt wurde, das Geld aber dennoch fließen darf, schwäche nicht nur die Position der polnischen Richter, sondern "schadet auch der europäischen Justiz insgesamt", schreiben die vier europäischen Richterorganisationen. (czar)