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Die Preisbändigerin aus Brüssel

Von Michael Schmölzer aus Straßburg

Politik
Preise deckeln, Strom sparen: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
© reuters / Geron

Die EU-Kommission will die Energiemärkte regulieren: "Schlechte Versorgung zu Wahnsinnskosten".


EU-Abgeordnete aller Mitgliedsländer sind in Straßburg versammelt, um über Vorhaben zur Lösung der Energiekrise zu debattieren - und über verschiedene Pläne abzustimmen. Die EU-Kommission hat hier zuletzt Vorschläge gemacht, die für Kontroversen sorgen. Sie will den Mitgliedsländern vorschreiben, übermäßige Gewinne von Stromerzeugern abzuschöpfen, um mit den Erlösen bedürftige Haushalte und Firmen zu entlasten. Dabei soll eine Obergrenze dafür eingeführt werden, wie viel eine Megawattstunde Strom maximal kosten darf.

Brüssel spricht von 180 Euro pro Megawattstunde, der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz nannte am Dienstag vor Journalisten das Limit von 200 Euro pro Megawattstunde - "dann soll abgeschöpft werden". Ist der Preis an den Strombörsen höher, wird laut Brüssel die Differenz an die Regierungen der EU-Länder fließen, die dann Konsumenten und Betriebe unterstützen.

Verpflichtende Solidarabgabe

Was die Kommission zudem plant, ist eine verpflichtende Solidaritätsabgabe von Öl-, Gas- und Kohlekonzernen. Die Höhe soll sich laut der Behörde danach richten, um wie viel der Gewinn 2022 im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen ist. Der Kommissionsentwurf sieht außerdem ein verbindliches Ziel für die Senkung des Stromverbrauchs zumindest zu Spitzenzeiten vor.

Es wurde erwartet, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die bereits bekannten Vorschläge in ihrer Rede zur Lage der Union am heutigen Mittwoch konkretisiert und dann einen Gesetzesentwurf vorlegt, wie ein wild gewordener Markt künftig gebändigt werden kann.

Grünen-Politiker Waitz will jedenfalls zusätzlich erreichen, dass keine Gasthermen in Neubauten eingebaut werden dürfen und Solarpaneele verpflichtend an bestimmten Gebäuden wie etwa Supermärkten angebracht werden müssen. Das seien aber längerfristige Ziele. Zudem sollten Wohnungen, die nicht gut isoliert sind, nicht mehr von Mietpreissubventionen erfasst werden.

Wenig anfangen kann die FPÖ mit den energiepolitischen Vorschlägen der Kommission. Für den Abgeordneten Harald Vilimsky ist der Zustand der Gemeinschaft generell ein "Desaster", wie er sich vor Journalisten beklagte. Zunächst müssten die Sanktionen gegen Russland "unbedingt weg" und danach die gesamte Klimastrategie, die Europa in eine "schwierige Schieflage" brächte. Die Bemühungen der EU, den CO2-Ausstoß zu reduzieren sind laut FPÖ "schädlich", die EU greife mit "linken Fantasien" in das Leben der Menschen ein.

Der Delegationsleiter der SPÖ, Andreas Schieder, ist hingegen dafür, dass "unbeabsichtigte Gewinne" der Energiekonzerne abgeschöpft und an Haushalte sowie in Bedrängnis geratene Betriebe verteilt werden. Wobei es nötig sei, dass der Energiemarkt in Europa von der EU reguliert werde. "Es gibt keine gute Versorgung, das aber dafür zu Wahnsinnspreisen", fasst Schieder die Lage zusammen.

Die ÖVP-Mandatare blickten am Dienstag der Rede von der Leyens mit Spannung entgegen. Hier weist man vor allem darauf hin, dass der "Green Deal", mit dem die EU den Klimawandel in den Griff bekommen will, notwendig sei, aber große Herausforderungen für die Unternehmen darstelle.

Der Winter naht, die Energiefrage drängt: Die Energieminister der EU-Länder werden deshalb noch in diesem Monat zusammenkommen, um Notfallmaßnahmen zu beschließen. "Am 30. September werden wir beenden, was wir begonnen haben", erklärte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz innehat.

Van der Bellen: "Es eilt"

Zur Eile mahnt auch der im Wahlkampf befindliche österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen; er fordert ebenfalls eine rasche Umsetzung von Eingriffen in den europäischen Energiemarkt. Das Hoffen auf eine Selbstregulierung der Märkte ist auch für den ehemaligen Wirtschaftsprofessor "keine Option".