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Scheinreferenden mit geplantem Ergebnis

Politik
Stimmenauszählung in Donezk: Das Ja zur Annexion war zu erwarten.
© Reuters / Alexander Ermochenko

Überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in besetzten Gebieten der Ukraine für Annexion an Russland.


Der Ausgang des Votums war schon im Vorhinein klar: In den russisch besetzten Gebieten der Ukraine hat eine Mehrheit der Menschen für eine Annexion der Gegend an Russland gestimmt. Erwartet wird, dass Präsident Wladimir Putin in den kommenden Tagen Teile der Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja zu russischem Staatsgebiet erklären könnte.

Spekuliert wurde über den möglichen Termin. Das britische Verteidigungsministerium verwies darauf, dass Putin am Freitag eine Rede vor beiden Kammern des Moskauer Parlaments angesetzt habe. Die nächste planmäßige Sitzung des Föderationsrats, des Oberhauses des Parlaments, ist für kommenden Dienstag geplant.

Werden die Gebiete in die Russische Föderation aufgenommen, wäre die Offensive der Ukraine zur weiteren Rückeroberung ihres Territoriums in den Augen Moskaus ein Angriff auf Russland.

Bis zu 98 Prozent Ja-Stimmen

Erste Ergebnisse der von der Regierung in Kiew und westlichen Staaten als "Scheinreferenden" bezeichneten Abstimmungen lagen bereits am Dienstagnachmittag vor. Schon da berichtete die Nachrichtenagentur RIA von einer überwältigenden Mehrheit für einen Anschluss. Nach Auszählung aller Stimmen, erklärten die Besatzungsverwaltungen, hätten in Luhansk mehr als 98 Prozent, in Saporischschja im Süden mehr als 93 Prozent und im ebenfalls südlichen Cherson mehr als 87 Prozent der Wähler zugestimmt.

Zu erwarten ist, dass ähnlich wie im Fall der von Russland 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim das Vorgehen Moskaus auch jetzt völkerrechtlich nicht anerkannt wird. Die USA haben dies bereits angekündigt.

Vielfach kam es während der insgesamt fünftägigen Voten zu Berichten, wonach eine geheime und freie Stimmabgabe nicht möglich war. Zu sehen waren etwa gläserne Urnen, Menschen wurden teils mit Gewalt zur Abgabe ihrer Stimme gezwungen. Viele Ukrainer, die in den besetzten Gebieten leben, ergriffen die Flucht, insofern ihnen dies möglich war.

"Wir haben Listen"

Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak sagte in einem Interview mit der Schweizer Zeitung "Blick", die Regierung bereite sich auf einen russischen Angriff mit Nuklearwaffen vor. Es liege aber vor allem in der Hand der Atommächte, die Regierung in Moskau von einem solchen Schritt abzuschrecken. Zugleich kündigte er an, dass Ukrainer, die die Russen bei den Referenden unterstützt hätten, wegen Hochverrats vor Gericht kämen. Ihnen drohe eine Haftstrafe von mindestens fünf Jahren. "Wir haben Listen mit Namen von Leuten, die darin irgendwie verwickelt waren", erklärte Podoljak.

Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die militärische Lage in der ostukrainischen Region Donezk als "besonders ernst". In seiner nächtlichen Videoansprache erklärte er, die Region habe für die Ukraine derzeit oberste Priorität: "Denn der Donbas ist immer noch das Ziel Nr. 1 für die Besatzer." Zum Donbas gehört auch die Region Luhansk. (reu)