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Je tiefer die Leitung, desto schwieriger die Verteidigung

Politik

Nach den Sabotageakten bei Nord Stream sorgt sich die EU, wie die Infrastruktur von Öl- und Gasliefereant Norwegen geschützt werden kann.


Für Russen, die nach der Mobilmachung den Weg in den Schengenraum suchen, wird es immer enger: Seit Freitag lässt Finnland Bürger aus dem Nachbarstaat nur sehr eingeschränkt einreisen. Erlaubt ist der Übertritt Personen, die Familienmitglieder aus Finnland oder anderen EU-Staaten haben, Studenten oder Menschen für medizinische Behandlungen. In Norwegen erklärte Justizministerin Emilie Enger Mehl: "Wir werden die Grenze schnell schließen, sollte das notwendig werden." Das Land ist zwar nicht EU-Mitglied, aber Teil des Schengenraumes und teilt sich nördlich des Polarkreises eine knapp 200 Kilometer lange Grenze mit Russland.

Der Schutz von Grenzen ist trivial im Vergleich dazu, wie Gas- und Ölpipelines, Starkstromkabel, und Datenleitungen vor Sabotageakten gesichert werden können. Diese Fragen stellen sich nach den Explosionen bei den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 insbesondere bei Norwegen.

Militär "sichtbarer"

9.000 Kilometer beträgt dessen Pipeline-Netz. Rund 95 Prozent von Norwegens Gasexporten werden über ein Leitungssystem nach Europa transportiert, Gas gelangt direkt nach Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Belgien. Und erst diese Woche wurde die Ostsee-Pipeline Baltic Pipe eröffnet, über die Norwegen auch Dänemark und Polen versorgt. Die Anlage ist ein weiterer Baustein, Europa unabhängiger von russischen Rohstoffen zu machen. Norwegen ist dabei zentraler Akteur für die EU.

"Das Militär wird bei norwegischen Öl- und Gasanlagen sichtbarer sein", nennt Premierminister Jonas Gahr Störe eine Konsequenz aus den Anschlägen auf die Nord-Stream-Röhren. Sollte eine norwegische Offshore-Plattform in der Nordsee Ziel eines Angriffs sein, würde Norwegen "gemeinsam mit unseren Verbündeten" reagieren, sagte der Regierungschef des Nato-Mitgliedslandes.

Truppen an neuralgischen Punkten lassen sich schnell postieren. Jedoch: "Je tiefer man ins Wasser geht, desto schwieriger ist es, Dinge zu schützen oder für einen Aggressor auch, diese zu zerstören", sagt Sebastian Bruns vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel zum SWR.

Oberfläche gescannt

Es sei daher illusorisch zu glauben, dass man bei jeder Pipeline ein Kriegsschiff positionieren könnte, das Patrouille fährt. Alleine die Rohre der Gas-Pipeline Europipe II von Norwegen nach Norddeutschland verlaufen 642 Kilometer lang auf dem Grund der Nordsee. Selbst wenn man Pipelines mit maritimen Einheiten schützen möchte, steht dem entgegen, dass diese Truppen laut Bruns in den vergangenen 35 Jahren geschrumpft sind und nur noch das Tagesgeschäft erledigen können.

Bereits bisher scannten die Militärs der Ostsee-Anrainer mit Drohnen große Teile des Meeres - allerdings nur die Oberfläche. In einigen Dutzend Metern Tiefe detonierten derweil Sprengladungen "von mehreren hundert Kilogramm", teilten Dänemark und Schweden am Freitag mit.

Russland macht den Westen für die Detonationen verantwortlich. Das Gros der Experten ortet einen Akt Russlands. Dessen Truppen hielten im vergangenen Jahr ein Manöver in der Irischen See ab. Dort laufen wichtige Datenkabel. Die damalige Übung gewinnt nun an Brisanz. (da)