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Von der FDP droht Unruhe in Koalition

Politik
In schwieriger Lage: Lindner.
© reuters / Michele Tantussi

Nach Niederlage bei Niedersachsen-Wahl werden Rufe lauter, dass sich Liberale stärker positionieren sollen.


Hannover. "Wir müssen verhindern, dass linke Projekte in dieser Koalition umgesetzt werden." Was FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai über die Regierungsarbeit der deutschen Koalition sagte, hörte sich nicht danach an, dass diese in den nächsten Wochen in Ruhe arbeiten kann. Vielmehr droht nun SPD und Grünen größerer Widerspruch seitens der FDP. Denn nicht nur passen die Liberalen von ihrem Profil her am wenigsten in diese Dreier-Koalition, in der sich SPD und Grüne weltanschaulich wesentlich näher stehen. Die FDP ist auch bei Landtagswahlen immer wieder der große Verlierer - was an diesem Wochenende auch im nördlichen Bundesland Niedersachsen der Fall war.

Die FDP, die 2017 noch 7,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte, erlebte einen tiefen Absturz und scheiterte mit 4,7 Prozent an der 5-Prozent-Hürde, die für den Einzug in den Landtag notwendig gewesen wäre. Damit setzte sich eine bittere Serie fort: Im März im Saarland sind die Liberalen ebenfalls nicht in den Landtag gekommen. Im Mai sind sie in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aus der Landesregierung geflogen.

"Fremdeln mit Koalition"

Andere Parteien würden nach so einer Phase über ihr Spitzenpersonal diskutieren. Doch FDP-Chef Christian Lindner sitzt fest im Sattel. Dieser gab sich nach der Niedersachsen-Wahl noch diplomatischer als manch seiner Kollegen, wurde aber auch deutlich.

Die gesamte Regierungskoalition habe "an Legitimation verloren", sagt Lindner in Berlin. Insofern müsse die Balance von sozialem Ausgleich, ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft neu ausgelotet werden. "Viele unserer Unterstützerinnen und Unterstützer fremdeln mit dieser Koalition", sagte Lindner. "Wir sind in der Ampel-Koalition aus staatspolitischer Verantwortung, nicht weil SPD und Grüne uns von den inhaltlichen Überzeugungen so nahe stünden."

Nun wird von Lindner erwartet, dass er das Profil der FDP schärft. Doch er ist in einer schwierigen Lage: Als Finanzmister war er mit dem Versprechen angetreten, für das Einhalten der Schuldenbremse zu sorgen. Doch angesichts der steigenden Energiepreise und der hohen Inflation fordern mittlerweile täglich neue Stimmen, die von Gewerkschaften bis hin zu Unternehmensvertreten reichen, Entlastungen und finanzielle Hilfen.

Lindner könnte daher mehr ein anderes Themenfeld forcieren: den Atomausstieg. Hier hat die Koalition eine Einsatzreserve für die beiden AKW Isar II und Neckarwestheim bis in den Frühling 2023 zur Stabilisierung des Stromnetzes vereinbart. Die FDP hat das bereits in den vergangenen Wochen kritisiert. Nun könnte sie noch mehr Sturm dagegen laufen und noch deutlicher einen Ausstieg vom Atomausstieg fordern.

Von der SPD und den Grünen kamen nach der Wahl umgehend Aufforderungen an die FDP, Ruhe zu bewahren. "Das würde ich jedem Partner in der Koalition raten, sich nicht an anderen abzuarbeiten", sagte etwa der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich der ARD. Er hat allerdings nach der Niedersachsen-Wahl auch leichter reden: Die SPD konnte mit leichten Stimmverlusten, aber immer noch 33,4 Prozent Platz eins verteidigen, die Grünen fuhren mit 14,5 Prozent gar ein Rekordergebnis ein.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat sogleich erklärt, er wolle die Koalition seiner SPD mit der CDU kündigen und nun mit den Grünen koalieren. Auch die Ökopartei möchte in Niedersachsen ein rot-grünes Bündnis schließen.(klh)