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Ein klares "Nein" an die Schotten

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Regionalparlament fehlt Befugnis für Volksabstimmung, Sezessionisten geben aber nicht auf.


Weitläufigen Unmut in Schottland hat die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Großbritanniens ausgelöst, dass ein neues schottisches Unabhängigkeits-Referendum nicht ohne Einwilligung der britischen Regierung stattfinden kann. Das Londoner Urteil, erklärten empört schottische Nationalisten, bestreite den Schotten alles Recht auf Selbstbestimmung "im eigenen Land". Das Urteil, das den Schotten ein Unabhängigkeits-Referendum verbiete, demonstriere geradezu, "warum wir Unabhängigkeit brauchen", meinte dazu Nicola Sturgeon, die schottische Regierungschefin und Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP).

Am Mittwochnachmittag zogen Anhänger schottischer Unabhängigkeit vielerorts in Schottland auf die Straßen, um gegen "die unerträgliche Bevormundung durch London" zu protestieren. Regierungschefin Sturgeon bestand unterdessen darauf, dass sie das Verdikt des Gerichts respektiere und keine illegale Volksabstimmung plane. "Das Gericht macht ja keine Gesetze, es interpretiert sie nur", sagte sie.

Wahl soll in Referendum umfunktioniert werden

Die SNP-Führerin will nun stattdessen die nächsten Westminster-Wahlen im Bereich Schottlands in ein "De-facto-Referendum" umfunktionieren - und den politischen Druck auf die Londoner Regierung nach Kräften verstärken. "Man kann Schottland seine demokratischen Rechte nicht verweigern", meinte sie. "Wir können nicht einfach mundtot gemacht werden in einer Demokratie." Mittlerweile gehe es nicht mehr nur um schottische Unabhängigkeit und um ein Referendum, sondern um "die Verteidigung schottischer Demokratie schlechthin". Das Konzept einer freiwilligen Union zwischen England und Schottland sei jetzt endgültig Geschichte, fand Sturgeon: "Eine sogenannte Partnerschaft, bei der einem Partner das Recht verwehrt wird, eine andere Zukunft für sich zu wählen, oder sich auch nur diese Frage zu stellen, kann wahrhaftig nicht freiwillig genannt werden - oder überhaupt eine Partnerschaft."

Das zentrale Problem für Sturgeons SNP in der Referendums-Frage besteht darin, dass sich Regierung und Parlament in London die letzte Entscheidung vorbehalten über Dinge, die "die Union", die übergreifende staatliche Einheit von England und Schottland, betreffen. Und im Urteil des Obersten Gerichts hätte ein Referendum, selbst wenn es nur beratenden Charakter gehabt hätte, diese Einheit "direkt berührt".

Selbstbestimmung nach internationalem Recht, wie sie die SNP fordere, könne man höchstens "einem unterdrückten Volk" zubilligen, erklärten die fünf Richter in London. Ein solches seien die Schotten aber nicht. Sie seien weder unterdrückt noch militärisch besetzt noch von der Teilhabe am demokratischen Prozess in Großbritannien ausgeschlossen. Das Urteil kam einstimmig zustande, nach nur sechswöchigen Beratungen durch das Gericht.

Verhältnis zu London wird immer schlechter

Vors Oberste Gericht gezogen war Sturgeon, weil ihr in den letzten Jahren gleich vier aufeinander folgende britische Premierminister ihre Zustimmung zu einem neuen Referendum, zu "Indyref2", verweigert hatten. Für das Unabhängigkeits-Referendum von 2014, das die SNP mit 45 zu 55 Prozent der Stimmen verlor, hatte noch Londons Premier David Cameron eine Sondergenehmigung erteilt. Seither verwehren Londoner Regierungen der Regierung in Edinburgh aber ein Referendum, weil sie eine solche Neubefragung der Schotten für "zu früh" und den Zeitpunkt für "ungünstig" halten. Statt kostbare Zeit mit Unabhängigkeits-Gerangel zu verschwenden, solle sie sich lieber auf die Bewältigung aktueller Krisen konzentrieren und eng mit ihm zusammenarbeiten, hat zuletzt Premier Rishi Sunak Nicola Sturgeon erklärt.

In jüngster Zeit hatte sich das Verhältnis zwischen Edinburgh und London immer weiter verschlechtert. Sunaks Vorgängerin Liz Truss hatte Sturgeon komplett ignoriert und ihr vorgeworfen, sie leide an einem "übertriebenen Aufmerksamkeitsbedürfnis".

Englische Kommentatoren sprachen von einer "schottischen Obsession". Sturgeon ihrerseits beschuldigte die in London regierenden Tories, den Schotten mit ihrem harten Brexit und mit ökonomischem Chaos katastrophale Verhältnisse beschert zu haben. Beim Brexit-Referendum von 2016 hatten 62 Prozent der Schotten gegen den Austritt aus der EU gestimmt.