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Der Kreis der EU-Anwärter wächst

Von Martyna Czarnowska

Politik

Bosnien-Herzegowina soll Kandidatenstatus erhalten, Kosovo sucht ebenfalls darum an.


Es mag auch ein wenig an der Ukraine und Moldau gelegen haben. Als die beiden Staaten bei einem EU-Gipfel im Sommer den Status von EU-Beitrittskandidaten erhalten hatten, haben sich einige Länder - darunter Österreich - laut darüber gewundert, dass nicht ein weiteres Land als Bewerber anerkannt wird: Bosnien-Herzegowina. Immerhin wird bereits seit Jahren über eine Annäherung von sechs südosteuropäischen Staaten an die Union diskutiert: Der Westbalkan ist ein Grundpfeiler der EU-Erweiterungspolitik, auch wenn diese seit langem stockt.

Nun folgt auf Serbien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien eben Bosnien-Herzegowina. Am Dienstag nahmen die Europaminister bei einer Zusammenkunft in Brüssel eine entsprechende Empfehlung der EU-Kommission an; beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs Ende der Woche könnte der Kandidatenstatus fixiert werden.

Es ist vor allem ein politisches Signal an eine Region, in der sich Enttäuschung über die zögerliche Haltung der Union breitmacht, was sich durchaus andere Akteure, wie Russland, zunutze machen können. Zwar betont die EU immer wieder, dass die europäische Perspektive aufrechterhalten wird, doch stellen manche Mitglieder immer wieder Hürden auf dem Weg Richtung EU auf.

Zersplitterter Staat

Darüber kann Nordmazedonien gut berichten. Seit 2005 ein Beitrittskandidat, hat das Land schmerzvolle Reformen bis hin zu Änderungen des Staatsnamens und der Verfassung durchgeführt. Dennoch wurde die Aufnahme von EU-Verhandlungen immer wieder von einzelnen EU-Mitgliedern blockiert. Erst im Juli konnten die Gespräche starten. Die Türkei ist übrigens seit 1999 ein Bewerberland.

So weiß auch Bosnien-Herzegowina, dass es noch weit vom Ziel einer Aufnahme in die EU entfernt ist. Es steht zudem vor besonderen Herausforderungen. Das administrativ stark zersplitterte Land, mit seinen beiden Entitäten Föderation von Bosnien und Herzegowina sowie Republika Srpska, muss sich sowohl Verwaltungsreformen stellen als auch nationalistischer Politik, die sich etwa in der Republika Srpska in Abspaltungsfantasien äußert. Vor Destabilisierungsversuchen ist der schwache Staat also nicht gefeit, hinzu kommt massive Abwanderung.

Wie die Kommission streicht daher auch die Versammlung der EU-Minister hervor, dass Sarajevo einige Aufgaben zu erledigen hat: Rechtsstaatlichkeit stärken, Korruption und organisierte Kriminalität bekämpfen, Grundrechte absichern. Dafür winkt finanzielle Unterstützung: EU-Kandidaten können sogenannte Vorbeitrittshilfen in Anspruch nehmen.

Ob aber in der Zwischenzeit die Skepsis mancher EU-Mitglieder gegenüber einer Erweiterung der Gemeinschaft schwindet, ist freilich offen. Frankreich und die Niederlande beispielsweise gehören zu den Zauderern, während Österreich gern als Fürsprecher der Westbalkan-Staaten auftritt.

Konflikte köcheln hoch

Eine zusätzliche Hürde muss der Kosovo nehmen. Dessen Unabhängigkeit wird nämlich von fünf EU-Staaten nicht anerkannt: Spanien, Griechenland, Rumänien, der Slowakei und Zypern. Serbien sieht seine ehemalige Provinz ebenso wenig als eigenständig an. Die beiden Nachbarn müssen aber ihre Beziehungen regeln, wollen sie sich weiter der Union annähern.

Einen Schritt näher möchte Prishtina noch diese Woche kommen. Sein Land wolle da einen Antrag auf EU-Beitritt stellen, kündigte Premierminister Albin Kurti an. Der Platz des Kosovo als "eines Landes, das den Frieden liebt", sei in diesem gemeinsamen Haus, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den Regierungschef. Allerdings dürfen die Kosovaren bis jetzt - als Einzige in der Region - nicht ohne Visum in die EU einreisen.

Die aktuellen Spannungen mit dem benachbarten Serbien sind ebenfalls noch nicht abgeklungen. Im Norden des Landes kam es zu Zusammenstößen zwischen den kosovarischen Behörden und der serbischen Minderheit, deren Vertreter Blockaden an Hauptverkehrsadern errichteten. Zuvor war es zur Festnahme eines ehemaligen kosovarischen Polizisten serbischer Nationalität gekommen. In der Gegend, in der Belgrad noch immer finanziell und politisch Einfluss nimmt, köcheln Konflikte immer wieder hoch. Prishtina versucht, die dort entstandenen Parallelstrukturen einzudämmen. Die EU müht sich, zwischen den Nachbarn zu vermitteln - mit mäßigem Erfolg.