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Überteuerte Lebensmittel für die Front

Von WZ-Korrespondent Denis Trubetskoy

Politik

Korruptionsaffären belasten Ukraine - zeigen aber auch, dass Kontrollorgane auch in Kriegszeiten wachsam sind.


Eigentlich ist die mögliche Lieferung von Kampfpanzern gerade das Thema, welches neben der schwierigen Lage um die umkämpfte Stadt Bachmut in der Ukraine alles überschattet. Nun diskutieren die Ukrainer aber auch wieder über etwas, das vor dem 24. Februar im öffentlichen Diskurs sehr präsent war: nämlich Korruption.

Eine Medienrecherche deutete am Wochenende an, dass das Verteidigungsministerium überhöhte Einkaufspreise für Lebensmittel gezahlt hat. Außerdem wurde der stellvertretene Infrastrukturminister bei der Annahme einer Schmiergeldzahlung in Höhe von 400.000 US-Dollar festgenommen.

Allerdings hat die ukrainische Öffentlichkeit der Nachricht über die Bestechung auch etwas Positives abgewinnen können: nämlich dass diese aufgedeckt wurde. Kaum jemand im Land hat angenommen, dass die Korruption über Nacht verschwinden wird. Umso wichtiger ist, dass spezielle Behörden wie das Nationale Antikorruptionsbüro (Nabu) ihrer Arbeit auch während des russischen Krieges nachgehen. Ermittlungen gegen den stellvertretenenden Minister Wassyl Losynskyj liefen bereits seit September; er wurde im Rahmen einer groß geplanten Operation des Nabu festgenommen. Der Fall ist gut dokumentiert, auch Losynskyjs Entlassung erfolgte sofort - genau das wird in der Ukraine von den Behörden und auch von der Politik erwartet.

Minister hat offenbar schon Konsequenzen gezogen

Die Recherche des Online-Mediums "Dserkalo Tyschnja" ("Spiegel der Woche") zu den Vorgängen im Verteidigungsministerium sorgte dagegen für eine aufgeregte Debatte. Die Zeitung gelangte angeblich an Verträge vom Dezember 2022, bei denen es um die Lieferung von Lebensmitteln für Militäreinheiten in Regionen wie Kiew oder Sumy geht, in denen derzeit keine aktiven Kampfhandlungen stattfinden. Wenn die Waren direkt an die Front geschickt werden, sind die Preise wegen der schwierigen Logistik automatisch höher als sonst üblich. Weil es hier aber um Hinterlandregionen geht, waren die Journalisten verwundert, warum Preise für einige Lebensmittel wie Eier oder Kartoffel teilweise zwei- bis dreimal höher als marktüblich angegeben wurden.

Für Montag wurde dann die Führung des Verteidigungsministeriums in den zuständigen Parlamentsausschuss bestellt. Dessen stellvertretende Vorsitzende Marjana Besuhla von der Präsidentenpartei "Diener des Volkes" schloss nicht aus, dass es auch bei anderen Posten zu Überteuerungen gekommen sein könnte.

Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow erklärte daraufhin, dass es sich in den Verträgen um "technische Fehler" handelt, die durch eine falsche Verwendung von Maßeinheiten entstanden sind. Resnikow betonte aber ebenso, dass diese Fehler noch im Dezember bemerkt wurden. Auch der zuständige Abteilungsleiter wurde dem Minister zufolge suspendiert. Sobald derartige Fehler auftauchen, würden sie generell zügig korrigiert werden. Resnikow versprach eine umfassende Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden, vermutet aber einen Versuch, am Rande der Verhandlungen über die Waffenlieferungen aus dem Westen das Vertrauen in sein Ministerium zu untergraben.

Behörden und Medien nehmen ihre Funktion wahr

Auch nach der Maidan-Revolution 2014 gehörte das Verteidigungsministerium nicht zu den transparentesten Behörden der Ukraine. Die Ernennung Resnikows, der früher Minister für die besetzten Gebiete war, galt jedoch als Glücksfall. Denn der aus Lwiw stammende Jurist hat nicht zu Unrecht das Image eines ruhigen und effektiven Managers.

Während sein Vorgänger mit Skandalen und schlechter Kommunikation aufgefallen ist, hat sich die Situation im Ministerium seit Resnikows Ernennung im November 2021 deutlich verbessert. Resnikow wird jedoch in den kommenden Tagen und Wochen noch einige Fragen beantwortet müssen. Denn es ist unwahrscheinlich, dass die ukrainische Öffentlichkeit seine Erklärung gleich als ausreichend akzeptiert.

Neben den beiden größeren Fällen hat das führende Online-Medium "Ukrajinska Prawda" am Montag noch eine Recherche über ein vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Präsidentenpartei Pawlo Chalimon gekauftes Haus im Zentrum Kiews veröffentlicht, das dieser nicht deklariert hat. Chalimon wurde von seiner führenden Position bei "Diener des Volkes" sofort freigestellt. Sein Vorgesetzter, Fraktionsvorsitzender Dawid Arachamija, fordert auch eine strafrechtliche Untersuchung, während Präsident Wolodymyr Selenskyj in Zusammenhang mit Korruptionsangelegenheiten wichtige Personalveränderungen in dieser Woche ankündigte. Es wird über die Entlassung von einigen Ministern spekuliert, um den Verteidigungsminister geht es aber nicht.

Für die Ukraine ist das eine schwierige Herausforderung, in Zeiten der russischen Angriffe Dauerprobleme wie Korruption zu bekämpfen. Doch zeigen die nun aufgedeckten Fälle auch, dass Behörden wie das Nabu effektiv sind und Medien sowie Zivilgesellschaft ihre Aufsichtsfunktion weiterhin erfüllen.