120 bis 140 westliche Kampfpanzer werde die Ukraine in einer ersten Welle bekommen, hat Außenminister Dmytro Kuleba am Dienstag erklärt. Bereitgestellt würden sie von einer Koalition aus zwölf Ländern. Die Lieferung umfasse deutsche Leopard-2, britische Challenger-2 und US-amerikanische M1-Abrams-Panzer. Einen genauen Zeitraum für die Ankunft der Panzer nannte Kuleba nicht. Auch müsse noch Trainingszeit für ukrainische Soldaten miteinkalkuliert werden.

Zur möglichen Lieferung von Kampfjets kamen unterdessen unterschiedliche Signale aus den USA und Europa. Während die USA sie weiterhin kategorisch ausschließen, sprach sich etwa Litauens Präsident Gitanas Nauseda gegen rote Linien bei Waffenlieferungen aus.

Griechenland, das rund 350 Leopard 2 und 500 Leopard 1 und somit so viele Leopard-Panzer wie kein anderes Land Europas hat, wird keine davon abgeben. Regierungschef Kyriakos Mitsotakis verwies auf die Spannungen mit der Türkei. Die Panzer seien "für unsere eigene Verteidigungsstrategie absolut notwendig".

Neben US-Präsident Joe Biden reagierte auch die britische Regierung abwehrend auf die ukrainische Bitte nach Kampfflugzeugen. "Die britischen Jets sind extrem anspruchsvoll, und es dauert Monate, um sie fliegen zu können", sagt ein Sprecher von Premierminister Rishi Sunak. Man werde aber diese Frage mit den Alliierten weiter erörtern. Frankreich hingegen schließt eine Lieferung von Kampfjets nicht grundsätzlich aus. "Prinzipiell ist nichts verboten", betonte Präsident Emmanuel Macron. Polen wiederum sieht sich von der Debatte vordergründig nicht betroffen. "Es gibt derzeit keine offiziellen Diskussionen über die Überführung von F-16", sagte Wojciech Skurkiewicz, Staatssekretär im polnischen Verteidigungsministerium, der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. "Das Thema gibt es nicht." Auch Deutschland ist für die Ukraine nicht primärer Ansprechpartner in der Kampfjet-Frage. "Wir haben Deutschland noch nicht um Kampfjets gebeten", sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, am Dienstag der Deutschen Welle. Prioritäten seien für ihn "gepanzerte Fahrzeuge, Kampfpanzer, Luftabwehrsysteme und Artillerieeinheiten".

Der litauische Präsident Nauseda plädierte dafür, dass sich der Westen im Ukraine-Krieg bei Waffenlieferungen alle Optionen offen halten solle. "Diese roten Linien müssen überschritten werden", sagte er mit Blick auf Vorbehalte zu den von der Ukraine geforderten Kampfflugzeugen und Raketen mit größerer Reichweite. Diese Waffensysteme seien eine "unverzichtbare militärische Hilfe". "In dieser entscheidenden Phase des Krieges, in der der Wendepunkt bevorsteht, ist es wichtig, dass wir unverzüglich handeln", sagte Nauseda.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte die Diskussion um immer mehr und schwerere Waffen für die Ukraine. "Wir treffen die notwendigen Maßnahmen, um nicht zuzulassen, dass die Ukraine zu einer noch größeren Bedrohung für unsere Sicherheit wird", sagte Lawrow am Dienstag bei einem Treffen mit seinem ägyptischen Kollegen Samih Schukri in Moskau. "Hier ist alles völlig klar, dass es ganz und gar nicht um die Ukraine geht." Lawrow warf einmal mehr den USA vor, die Ukraine zu benutzen, um eine Vormachtstellung in der Welt zu behaupten. "Das Kiewer Regime, das keinerlei Selbstständigkeit besitzt, erfüllt den Willen des Souveräns: der USA und des gesamten restlichen Westens, den sich Washington zum Untertan gemacht hat." Russland hatte zuletzt immer wieder betont, sich in der Ukraine im Krieg mit der gesamten westlichen Welt zu sehen.

EU-Ukraine-Gipfel am Freitag

Inmitten des nun schon fast ein Jahr daurenden Krieges will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den geplanten EU-Beitritt seines Landes weiter vorantreiben. Vom EU-Ukraine-Gipfel, der diesen Freitag in Kiew stattfinden soll, erwartet er sich "Neuigkeiten", wie Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Dienstag sagte. "Wir erwarten Entscheidungen unserer Partner in der Europäischen Union, die (...) unserem Fortschritt entsprechen. Fortschritt, der offensichtlich da ist - und das sogar trotz des großflächigen Kriegs." Selenskyj bekräftigte, dass in Kiew an Reformen gearbeitet werde. Wer auf EU-Seite am Gipfel teilnehmen wird, ist noch nicht bekannt.

Kiew soll Schmetterlingsminen eingesetzt haben

Kritik an der Ukraine und ihrer Kriegsführung übte unterdessen die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch. Sie warf der ukrainischen Armee den Einsatz verbotener Landminen im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg vor. Kiew müsse den "mutmaßlichen Einsatz tausender Antipersonenminen durch die eigene Armee" in und um die im September nach russischer Besatzung zurückeroberte Stadt Isjum untersuchen, forderte Human Rights Watch am Dienstag. Die ukrainische Regierung machte die russische Invasion für das "Problem" mit Minen verantwortlich. Die UNO sprach sich für eine Untersuchung aus.

Durch den Einsatz sogenannter Schmetterlingsminen sollen in der Region um Isjum mindestens 50 Zivilisten, darunter fünf Kinder, verletzt worden sein, der Hälfte davon mussten demnach Gliedmaßen amputiert werden. Russland habe seinerseits "wiederholt Antipersonenminen eingesetzt" und in der gesamten Ukraine "Gräueltaten begangen", sagte  Steven Goose, Waffenexperte bei Human Rights Watch. Dies rechtfertige aber nicht den Einsatz "verbotener Waffen" durch die Ukraine.

Schmetterlingsminen sind grün oder braun gefärbte kleine Geschosse, die jeweils mit 37 Gramm Sprengstoff gefüllt sind. Sie sind üblicherweise mit einem Selbstzerstörungssystem ausgestattet, das 40 Stunden nach ihrer Verwendung ausgelöst wird. Dieser Mechanismus funktioniert nach Angaben von HRW allerdings oft nicht. Der Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Dmytro Lubinets, erklärte nach der Veröffentlichung des Berichts von Human Rights Watch im Online-Dienst Telegram, sein Land halte seine "internationalen Verpflichtungen" ein. Die Ukraine sei "stets bereit gewesen, Untersuchungen zu akzeptieren".

Die Ukraine ist Unterzeichnerstaat des Ottawa-Abkommens von 1997, das den Einsatz von Antipersonenminen verbietet, 2005 ratifizierte Kiew es. Russland hat das Abkommen nicht unterzeichnet, die USA und China zählen ebenfalls nicht zu den 164 Vertragsstaaten. (apa/reuters)