Die Schlachten des Zweiten Weltkriegs gelten als rein männliche Angelegenheit. Vergessen wird dabei, dass bis 1945 in den Reihen der Roten Armee eine Million Frauen dienten.

Als "Mutter Heimat" thront eine riesige Statue über Wolgograd. In Stalingrad nahmen Frauen 1942/1943 tatsächlich die Waffe in die Hand, um gegen die 6. Armee zu kämpfen. - © afp / Kirill Kudyavtsev
Als "Mutter Heimat" thront eine riesige Statue über Wolgograd. In Stalingrad nahmen Frauen 1942/1943 tatsächlich die Waffe in die Hand, um gegen die 6. Armee zu kämpfen. - © afp / Kirill Kudyavtsev

Zumeist waren sie Krankenschwestern oder Helferinnen in den Schreibstuben, viele kämpften aber auch in den vordersten Reihen: als Pilotinnen, in eigenen Frauenregimentern, in gemischten Einheiten, als Scharfschützinnen, Panzersoldatinnen und bei der Fliegerabwehr. Viele ließen ihr Leben oder wurden verwundet. Gerieten sie in deutsche Kriegsgefangenschaft, drohte die sofortige Hinrichtung.

Veteraninnen der Roten Armee, die im Weltkriegseinsatz waren, bei einer Siegesfeier im Jahr 2005. afp / Sergei Supinsky - © afp / Sergei Supinsky
Veteraninnen der Roten Armee, die im Weltkriegseinsatz waren, bei einer Siegesfeier im Jahr 2005. afp / Sergei Supinsky - © afp / Sergei Supinsky

Das war auch bei den Kämpfen in und um Stalingrad 1942/43 so. Dort kämpfte etwa die Pilotin Lidija Wladimirowna Litwjak, Kriegsname "Weiße Lilie von Stalingrad", die nach Zählung der Roten Armee allein 13 deutsche Flieger abschoss und deshalb von der Sowjet-Propaganda hoch dekoriert und als große Heldin gefeiert wurde.

"So klein, dass ich im Krieg noch gewachsen bin"

Die weißrussische Autorin und Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch hat in ihrem Interview-Buch "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" weniger schillernde Aspekte beschrieben. Die Frauen, die 1941 bis 1945 an der Front gegen die Wehrmacht kämpften, berichten von Dreck, Schmerzen, Tod, Hunger und miserabler Ausrüstung. Kein Wunder, dass viele für ihr Leben traumatisiert waren. Darunter auch die, die sich als Sanitäterinnen im Kugelhagel um die Verwundeten kümmerten.

"Ganze Züge voller Frauen gingen an die Front", erinnert sich eine ehemalige Rotarmistin im Gespräch mit Alexijewitsch. "Es waren nicht mehr genug Männer da. Sie waren gefallen. Lagen unter der Erde oder waren in Gefangenschaft." Die Frauen waren "bereit, für die Heimat zu sterben. So waren wir erzogen." "Ich war noch so klein, als ich an die Front ging", erzählt in dem Buch eine andere Frau, ehemals Scharfschützin, "dass ich im Krieg noch gewachsen bin."

Dabei wird auch klar, dass viele Frauen damals alles daransetzten, an die Front zu kommen und das bedrohte Vaterland zu befreien. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Rote Armee die sichere Niederlage vor Augen, Moskau war knapp vor dem Fall. In "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" ist nachzulesen, dass in den ersten Kriegstagen die Einberufungsstützpunkte "voller Mädchen, die sich freiwillig meldeten und unbedingt mitten in die Hölle wollten" gewesen seien. "Sie baten, forderten. Weinten. Liefen eigenmächtig den abziehenden Truppen hinterher."

Anfangs wurden sie abgewiesen. Als sich im Herbst 1941 aus Sicht der Roten Armee eine militärische Katastrophe anbahnte, wurden Frauen von den Rekrutierungsstellen mit offenen Armen empfangen. Eine allgemeine Mobilmachung für Frauen gab es allerdings nie. "Dass die Mädchen an die Front gingen, war ihre eigene Wahl", schreibt Alexijewitsch. Es ei ihr "persönliches Opfer" gewesen.

Die Frage heute ist, was die Frauen damals motiviert hat. "Wir waren bereit, für die Heimat zu sterben", erinnern sich die Veteraninnen. Und: "Wir träumten davon, unser großes Land zu verteidigen! Das beste Land der Welt! Unser Allerliebstes!" Die Erfassung der sowjetischen Gesellschaft durch die von Josef Stalin gesteuerte Propaganda war zu dieser Zeit ganz offensichtlich eine totale. Überall in dem riesigen Land hingen Plakate mit der Aufschrift "Mutter Heimat ruft!", "Soldat der Roten Armee, rette uns!" Die Kriegsbegeisterung wurde per Radio und in den Kinos verbreitet, vor allem junge Frauen ließen sich davon beeindrucken. In der kommunistischen Monopol-Jugendorganisation, dem Komsomol, wurde die Begeisterung der Mädchen gezielt geschürt, viele Jugendliche gingen direkt von der Schulbank an die Front.

Heute ist es eine Frauenfigur, die 85 Meter hohe Kolossalstatue der "Mutter Heimat" mit erhobenem Schwert, die in Wolgograd an die Schlacht um Stalin grad erinnert. Es ist freilich keine Ehrung der vielen Frauen, die im "Großen Vaterländischen Krieg" gekämpft haben und gestorben sind; vielmehr handelt es sich um eine symbolisch-allegorische Darstellung der wehrhaften und schließlich siegreichen Heimat, die die Befreiung bewirkt hat.

Nach 1945 sozial an
den Rand gedrängt

Im Jahr 1942 gingen jedenfalls auch in Stalingrad Frauen in die Schlacht, um die so prestigeträchtige Stadt zu halten. Am 10. September etwa schickte ein sowjetischer Stab eine Staffel Pilotinnen unter dem Kommando von Oberleutnantin Raisa Beljajew los, um deutsche Bomber im Anflug abzuschießen. Nicht nur in, auch über Stalingrad tobten heftige Kämpfe, die Verluste waren zunächst auf russischer Seite viel höher als auf deutscher.

In die Schlacht involviert war auch die Jagdfliegerin Lidija Litwjak, die im Februar 1943 wegen ihrer zahlreichen Abschüsse den "Rotbannerorden" verliehen bekam. 1990 erhielt sie den Titel "Held der Sowjetunion".

Nach Kriegsende wurden die Frauen allerdings rasch aus der Armee entlassen und sahen sich pauschalen Verleumdungen ausgesetzt. Nachdem das Vaterland erfolgreich gerettet war, wurden sie als "Soldatenflittchen" diffamiert und sozial an den Rand gedrängt. So durften Frauen nicht einmal an der großen Siegesparade vom 24. Juni 1945 auf dem Roten Platz teilnehmen. Nach den Sieg über Nazi-Deutschland beherrschte die staatlich-kommunistische Propaganda wieder ein spießig-konservatives Frauenbild. Erst in späteren Jahren wurde ihr Beitrag bei den alljährlichen Siegesfeiern wieder gewürdigt.