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Triumph für Selenskyj in London

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik
Für den Speaker des Unterhauses, Lindsay Hoyle, gab es von Selenskyj einen Helm.
© getty / afWPA Pool / Stefan Rousseau

Ukrainischer Präsident in Großbritannien, Frankreich und Belgien zu Gast.


Mit mehr Ehren hätten die Briten ihren Überraschungsgast nicht überhäufen können. Nicht nur wurde für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch in Downing Street der beste aller roten Teppiche ausgerollt. Auch wurde drinnen in der Regierungszentrale Selenskyj, was sonst völlig unüblich ist, mit begeistertem Applaus empfangen. Drüben im Parlament, wo der Präsident in der ehrwürdigen Westminster Hall seine Ansprache hielt, brach ebenfalls mächtiger Beifall aus, als er dort auftrat. Für diesen Tag war aller politischer Streit zwischen den Parteien begraben.

Im Buckingham-Palast wartete währenddessen König Charles III. darauf, dem Angereisten die Hand schütteln zu können - der Monarch fein gekleidet, der Gast in seiner gewohnt nüchternen, dem Krieg geschuldeten Kluft. Es wurde ein langer Händedruck, bei dem der König aus seinem Respekt für Selenskyj kein Geheimnis machte. Der ukrainische Präsident seinerseits hatte vorab erklärt, "welche Ehre" dieser Empfang für ihn sei.

Tatsächlich hatte es sich Regierungschef Rishi Sunak nicht nehmen lassen, seinen Ehrengast am Morgen schon auf dem Flughafen abzuholen. Normalerweise empfängt ein Premier einen Gast an der Tür zu No 10 Downing Street. Aber auch in diesem Punkt wurde das Protokoll ignoriert, um die Bedeutung des Besuchs und des Besuchers herauszustreichen.

Ausbildung für Soldaten

Immerhin war es erst die zweite Visite im Ausland für Selenskyj seit Kriegsbeginn, nach seinem Besuch Polens und der USA kurz vor Weihnachten. Dieser Empfang an der Themse sollte deutlich machen, wie eng sich London mit Kiew verbunden fühlt. Schließlich sei Großbritannien ja auch "der führende Verbündete der Ukraine in Europa", erklärte Sunak zufrieden. Die Briten hätten sich von Anfang an auf die Seite der Ukraine gestellt. Und sie würden das Land weiter unterstützen.

Selenskyj revanchierte sich mit einem Dank an die britische Bevölkerung. Die Briten seien zusammen mit der Ukraine "auf dem Weg zum wichtigsten Sieg unseres Lebens". Sie hätten nichts eingebüßt vom "Geist und den Idealen dieser großen Inseln hier".

Just an dem Tag hatte Premier Sunak verkündet, London werde weitere Sanktionen gegen einflussreiche Russen ergreifen, zusätzliche Langstreckenwaffen an die Ukraine liefern und noch sehr viel mehr ukrainische Soldaten als bisher ausbilden - darunter auch Piloten und Marinesoldaten. Im Vorjahr absolvierten in England 10.000 ukrainische Soldaten ein umfassendes Training. Heuer sollen es doppelt so viele sein.

Bisher hat Großbritannien der Ukraine nach eigenen Angaben Militärhilfe in Höhe von 2,3 Milliarden Pfund geleistet. 2023 soll es eine ähnliche Summe sein. Finanziert werden unter anderem 14 Challenger-2-Panzer, die Kiew von London im vorigen Monat zugesagt wurden, noch bevor andere europäische Nationen Panzer-Lieferungen bewilligten.

Unklar ist allerdings fürs Erste, ob Großbritannien der Ukraine irgendwann auch Kampfflugzeuge liefern könnte. In seiner Rede ans Parlament bedankte sich Selenskyj schon einmal "im Voraus für mächtige Flugzeuge" dieser Art. Dem Speaker des Unterhauses, Lindsay Hoyle, überreichte er als Gastgeschenk den Helm eines ukrainischen Piloten, auf dem zu lesen war: "Wir haben Freiheit. Gebt uns die Flügel zu ihrem Schutz!"

Kampfjets für die Ukraine?

Auch dafür erhielt er begeisterten Beifall von allen Seiten. Dabei hatte Premier Sunak jüngst erst erklärt, die Lieferung von Kampfflugzeugen sei "nicht praktikabel", schon weil die Ausbildung von Piloten auf diesen Maschinen jahrelang dauern würde. Verteidigungsminister Ben Wallace ließ zuletzt allerdings offen, ob London es sich in dieser Frage noch anders überlegen werde. "Ausschließen soll man ja nie etwas", sagte er Anfang Februar. "Es gibt keine unverrückbare Position."

Dass London der Ukraine neuerdings Pilotentraining anbietet, wird freilich als erstes Signal für eine mögliche Kursänderung, zumindest auf längere Frist hin, betrachtet. Ex-Premierminister Boris Johnson etwa hat schon seit Monaten darauf gedrängt, dass sein Land Kiew F-16 oder Typhoon-Fighter liefern soll.

Mit einer speziellen Erwähnung von "Boris" in seiner Rede dankte Selenskyj dem früheren Premier in Westminster Hall denn auch ausdrücklich für seine Unterstützung der Ukraine zu Beginn des Krieges: Johnson habe es geschafft, "andere zusammenzuführen, wo das absolut unmöglich schien".

Premier Sunak verzog keine Miene bei dieser Bemerkung über seinen früheren Boss und Rivalen. Immerhin durfte er sich darüber freuen, dass der ukrainische Präsident nach Großbritannien gekommen war, bevor er den Nachbarnationen einen Besuch abstattete.

Am Nachmittag flog Selenskyj in die südwestenglische Grafschaft Dorset, um dort ukrainischen Truppen-Übungen beizuwohnen. Danach reiste er nach Paris weiter, wo ihn Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz erwarteten. Heute, Donnerstag, ist er in Brüssel, wo die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammenkommen.