Polen hat sie, Bulgarien hat sie, Griechenland hat sie: meterhohe Zäune, die sich über hunderte Kilometer entlang der Außengrenzen der Europäischen Union ziehen. Mit EU-Geld sollen sie aber nicht finanziert werden, sagt die EU-Kommission immer wieder. Und immer wieder beharrt Österreich gerade darauf. So auch kurz vor dem Sondergipfel, zu dem die EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag nach Brüssel reisten.
Zwar war es Bundeskanzler Karl Nehammer einerlei, ob die Grenzbefestigungen "Zaun oder technische Infrastruktur" genannt werden. Doch müsse Bulgarien beim Grenzschutz geholfen werden - und dafür müssten "Geldmittel zur Verfügung gestellt werden", meinte Nehammer.
Seit Monaten pocht Wien auf teils drastische Maßnahmen auf EU-Ebene, um irreguläre Migration einzudämmen. Vor dem Treffen mit seinen Amtskollegen formulierte es Nehammer dann so: "Wir müssen in der ganzen Europäischen Union die Asylbremse anziehen."
Denn das Thema Migration war einer der Schwerpunkte der Sitzung der Spitzenpolitiker - auch wenn es zunächst durch den Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Brüssel in den Hintergrund gerückt wurde. Der Bau von Grenzzäunen stand freilich dennoch nicht im Fokus der Beratungen. Vielmehr wollte Ratspräsident Charles Michel über mehr Rückführungen und bessere Zusammenarbeit mit Drittstaaten, stärkere Grenzkontrollen und die Bekämpfung von Menschenschmuggel diskutieren.
Streit um Seenotrettung
Dennoch ist Österreich mit seiner Forderung nach härteren Maßnahmen nicht allein. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte tritt ebenfalls dafür ein. Mehr EU-Mittel für Grenzschutz forderten vor einigen Tagen acht Staaten, darunter Österreich, in einem Brief an Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Aber auch Italien, das das Schreiben nicht mitunterzeichnet hatte, lehnt eine EU-Finanzierung von Befestigungsanlagen keineswegs ab. Premierministerin Georgia Meloni verwies jedoch darauf, dass "verschiedene Instrumente je nach den unterschiedlichen Grenzen" nötig seien. In Italien, wo Migranten über das Mittelmeer ankommen, wird nicht um Zäune, sondern um Seenotrettung gestritten. Sie setze sich jedenfalls für die südliche Grenze ein, erklärte Meloni. Und: Sie stimme allem zu, was dabei helfe, die illegale Migration zu kontrollieren.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wiederum äußerte sich zur Frage nach Grenzzäunen zurückhaltend. Er verwies auf die Gipfelerklärung. Dort sei von der Mobilisierung von EU-Fonds zur Verstärkung von Kapazitäten für die Grenzkontrolle und Infrastruktur sowie zur Überwachung die Rede, nicht aber von Zäunen.
Zahl der Asylanträge steigt
Nach Angaben der EU-Kommission ist die Zahl der Asylanträge im Vorjahr im Vergleich zu 2021 um fast 50 Prozent auf 924.000 gestiegen. Die meisten Ansuchen wurden demnach in Deutschland, Frankreich, Spanien und Österreich gestellt. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind Zypern, Österreich und Griechenland besonders betroffen.
Um die Asylsysteme zu entlasten, sollen Rückführungen von Menschen ohne Bleiberecht in ihre Heimatländer schneller und konsequenter erfolgen. Derzeit scheitert es eben auch an Kooperationen mit Drittstaaten. Im Gespräch ist nun, über die Visapolitik Druck auf Länder zu machen, die ihre Bürger nicht zurücknehmen wollen. (czar/reu/apa)