Russland hat mit seinen jüngsten Raketenangriffen auf die Ukraine laut eigenen Angaben auch Schienenwege für den Transport westlicher Waffen, Munition und Reserven in die Kampfzone blockiert. Das Verteidigungsministerium in Moskau machte am Samstag keine Angaben dazu, wo genau der Bahntransport blockiert worden sei. Allerdings hieß es im täglichen Militärbulletin, dass bei dem "massiven Schlag" mit Raketen und Drohnen am Freitag alle Ziele erreicht worden seien.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor bei seinem Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten Wunschlisten bezüglich neuer Waffenlieferungen verteilt. Selenskyj habe detaillierte Listen übergeben, sagte ein ranghoher EU-Beamter am Freitag nach Ende des Gipfels in Brüssel. Den Angaben zufolge sind die Wünsche auf die jeweiligen Lagerbestände der Mitgliedstaaten zugeschnitten.
Damit solle der Druck auf die einzelnen Staaten erhöht werden, zur Verteidigung im Krieg gegen Russland mehr zu liefern. Die Ukrainer wüssten besser als die Staats- und Regierungschefs, was in den Lagern vorhanden sei, ergänzte der EU-Beamte. "Es ist ziemlich geschickt, was die Ukrainer tun. (...) Sie wissen genau, was sie brauchen, und sie wissen, was sie fragen müssen."
Auf die Frage, woher die Ukrainer die Informationen haben, sagte der Beamte: "Sie sind informiert, sie haben Kontakte." Angesichts solcher Geheimdienstfähigkeiten sei es auch kein Wunder, dass sie sich gegen Russland zur Wehr setzen könnten.
Aus deutschen Regierungskreisen hieß es am Freitag in Berlin, die deutsche Delegation habe keine Liste von Selenskyj erhalten. Zum Beispiel Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas bestätigten hingegen den Erhalt. Denkbar ist, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron keine Liste erhielten, weil sie sich bereits am Dienstagabend in Paris mit Selenskyj ausgetauscht hatten.
Zur Diskussion um Kampfjet-Lieferungen sagte der EU-Beamte, das sei etwas, das man kommen sehe. Die Slowakei gehöre zu den Ländern, die das prüfe. Die dortige Regierung hoffe auf Unterstützung durch den EU-Geldtopf, mit dem bereits jetzt Waffenlieferungen an die Ukraine finanziert werden. Das Thema werde derzeit in kleineren Runden diskutiert.
Scholz hatte sich zuvor in der Nacht auf Freitag bei einer Pressekonferenz ausweichend auf die Frage nach möglicher Bewegung in der Frage von Kampfjet-Lieferungen geäußert. "Das war hier kein Gesprächsthema", sagte er. Mehrere andere Delegationen bekräftigten hingegen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger in großer Runde die Möglichkeit der Lieferung von Kampfjets in die Ukraine angesprochen habe.
Heger war bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs mit Selenskyj in großer Runde einer derjenigen, die einen Redebeitrag leisteten. Neben Heger sprachen demnach auch noch die Gipfelteilnehmer aus Schweden, Spanien, den Niederlanden, Litauen, Griechenland und Polen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schloss nach den Gesprächen Kampfjet-Lieferungen nicht grundsätzlich aus. Dies wäre aber "auf keinen Fall in den kommenden Wochen" möglich, sagte er. Selenskyj hatte in Brüssel auch für Kampfjet-Lieferungen geworben. Scholz ist bisher dagegen.
"Gute Signale erhalten"
Selenskyj zog am Freitagabend ein positives Fazit seiner Reise nach Westeuropa in dieser Woche. "London, Paris, Brüssel - überall habe ich in diesen Tagen darüber gesprochen, wie wir unsere Soldaten stärken können", sagte er in einer Videobotschaft. "Es gibt sehr wichtige Vereinbarungen, und wir haben gute Signale erhalten." Dies gelte für Raketen mit höherer Reichweite und Panzer.
Nur wenige Stunden nach neuen Hilfszusagen der EU für die Ukraine hat Russland das Land wieder massiv mit Drohnen und Raketen angegriffen. "Die Okkupanten haben Schläge gegen die kritische Infrastruktur geführt", berichtete der Militärgouverneur von Charkiw, Oleh Synehubow, am Freitag. 150.000 Haushalte seien ohne Strom. Auch aus anderen Regionen wurden Einschläge gemeldet. Präsident Selenskyj bezeichnete die Raketenangriffe auch als "Herausforderung für die Nato".
Der russische Präsident Wladimir Putin wird seine Rede zur Lage der Nation am 21. Februar, kurz vor dem Jahrestag seines Krieges gegen die Ukraine, halten. Die Föderale Versammlung - die Staatsduma und der Föderationsrat - trete dazu im Veranstaltungszentrum Gostiny Dwor in Kreml-Nähe zusammen, teilte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Freitag mit.
Bereits seit Tagen wurde in Moskau über das Datum der seit langem erwarteten Rede Putins spekuliert. Am 24. Februar wird es ein Jahr her sein, dass der Präsident die Invasion in die Ukraine befohlen hat.
(apa/dpa)