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"Es geht um den Umgang mit Information"

Von Walter Hämmerle

Politik
Hauptsitz des EAD ist das Triangle Building in Brüssel.
© JLogan Creative Commons

Lutz Güllner, Leiter der Abteilung Strategische Kommunikation, über die Arbeit seiner EU-Behörde.


Wien/Brüssel. Der deutsche EU-Beamte Lutz Güllner leitet die 2015 auf Geheiß der Staats- und Regierungschefs gegründete Abteilung für Strategische Kommunikation, Task Forces und Informationsanalysen, die Teil des Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) in Brüssel ist.

"Wiener Zeitung": China wirft den USA im Zusammenhang mit dem abgeschossenen Spionageballon einen "Informationskrieg" vor; Russland sieht sich als Opfer westlicher Propaganda; und der Westen beschuldigt Moskau der Desinformation: Machen nicht alle Seiten mehr oder weniger das Gleiche?

Lutz Güllner: Natürlich hat jede Regierung, mal mehr mal weniger offensiv, ihren eigenen politischen Spin; das gehört zur "Public Diplomacy". Das Problem beginnt, wo Regierungen einen ganzen Apparat aufbauen, und zwar allein mit dem Ziel, durch Desinformation die eigenen strategischen Ziele zu verfolgen. Russland hat umfassende Netzwerke aufgebaut, in denen auch Botschaften und Diplomaten im Ausland gezielt zum Zweck der Desinformation eingesetzt werden.

Ob eine Information wahr oder falsch ist, ist demnach gar nicht entscheidend?

Im Grunde genommen stimmt das, wir sind und wollen keine Wahrheitsbehörde sein, das wäre auch ein Tabubruch in Sachen Zensur. Jeder und jede soll sagen und schreiben können, was er oder sie will oder für richtig erachtet. Entscheidend ist, was für ein Apparat und welche Intentionen dahinterstecken. Wenn es dabei um Unterminierung, um Verunsicherung und Verschleierung geht, dann wird es kritisch.

Es geht also nicht darum, dass der absolute Wahrheitsgehalt ausschließlich bei einer Seite liegt und die andere Seite immer und prinzipiell unrecht hat, es geht um den grundsätzlichen Umgang mit Informationen. Nehmen Sie zum Beispiel den tragischen Abschuss des Flugs MH17, der 2014 über dem Osten der Ukraine von einer russischen Rakete getroffen wurde und 298 Tote forderte. Moskau hat dazu 10, 15, ja 20 unterschiedliche Erklärungen präsentiert. Statt um Aufklärung ging es nur darum, Verwirrung und Verunsicherung zu stiften. Und das sehen wir auch jetzt im Zusammenhang mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Einige, auch etablierte Medien stehen der Unterstützung Kiews skeptisch gegenüber und fordern mehr Augenmerk auf eine Friedenslösung, weil sie Europa als Verlierer dieses Konflikts mit Russland befürchten und die USA als lachenden Dritten sehen. Ist eine solche Perspektive eine legitime Analyse oder schon Unterstützung Putins?

Wir haben keinen Auftrag, uns mit den Entwicklungen innerhalb der EU zu beschäftigen, das ist Sache der Mitgliedstaaten. Aber wie gesagt: Uns geht es nicht so sehr um die Inhalte eines Diskurses, sondern um die Akteure, Netzwerke, Techniken und Muster, die auf eine gezielte Desinformation abzielen. Unsere Aufgaben sind: Aufdecken und Aufklären darüber, wie andere versuchen, uns zu manipulieren; Stärkung unserer Widerstandsfähigkeiten durch Fact Checking, unabhängigen Journalismus in- und außerhalb der EU; Vernetzung mit gleichgesinnten internationalen Akteuren.

Unter https://euvsdisinfo.eu/de/ finden sich Infos und Berichte der Abteilung für Strategische Kommunikation

Lutz Güllner, Leiter der Abteilung Strategische Kommunikation, über die Arbeit und das Selbstverständnis seiner EU-Behörde.