Die Anwesenheit russischer Abgeordneter bei der Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sorgt nach wie vor für viel Kritik. In seinen Eröffnungsworten sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP): "Wir stehen in ungeteilter Solidarität an der Seite der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Volkes!"

Gleichzeitig sei es die "Pflicht" der Mitglieder der OSZE und unserer Parlamentarischen Versammlung "die Tür der Diplomatie nicht zuzuschlagen", betonte Sobotka. Die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung, Margareta Cederfelt, rief zu einer Schweigeminute für die Opfer des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und des verheerenden Erdbebens in der Türkei und Syrien auf. Sie kritisierte die russische Aggression scharf. Moskau "verletzt jedes Prinzip des internationalen Rechts", erklärte Cederfelt. Auch der amtierende OSZE-Vorsitzende, der nordmazedonische Außenminister Bujar Osmani, verurteilte "den unprovozierten Angriff" Russlands auf die Ukraine in einer Videobotschaft.

Russen durch den Hintereingang

Die 1995 gegründete OSZE ist die größte regionale Sicherheitsorganisation der Welt. Der Parlamentarischen Versammlung (PV) gehören 323 Parlamentarier aus 56 Staaten an. Die diesjährige Wintertagung findet am Jahrestag des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine statt. Russland hat für die Versammlung neun Delegationsmitglieder eingemeldet, davon stehen sechs Personen auf den EU-Sanktionslisten. Die Ukraine und Litauen boykottieren deshalb das Treffen.

Vor dem Veranstaltungsort am Heldenplatz verlief der Auftakt der Wintertagung vergleichsweise ruhig. Während sich Delegierte lange vor einem Container anstellten, um ihre Akkreditierungen abzuholen und es dadurch zu Verzögerungen kam, erfuhr die russische Delegation eine gesonderte Behandlung: Die vom Duma-Vizepräsidenten Pjotr Tolstoj angeführte Delegation wurde über einen Hintereingang in die Hofburg gelotst, bestätigten Behördenvertreter der APA.

Protest der ukrainischen Parlamentarierdelegation

Keinen Sichtkontakt zu den Russen gab es daher auch für Demonstranten. Unmittelbar vor dem OSZE-Haupteingang demonstrierten etwa 15 Vertreter der ukrainischen Diaspora. "Russische Verbrecher, die diesen Krieg propagieren, wurden zum Verhandlungstisch eingeladen", kritisierte Aktivistin Anna Pattermann gegenüber der APA. Zur Diaspora gesellten sich zudem Angehörige jener ukrainischen Parlamentarierdelegation, die die Tagung selbst boykottiert. Die Oppositionsabgeordnete Iryna Heraschtschenko nutzte die Szenerie für einen Liveeinstieg: Von diesem Balkon habe einst Hitler zum Annexion von Österreich gesprochen, nun passiere eine "Schande", erzählte sie einem ukrainischen Fernsehsender. "Zum Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine findet eine Tagung statt, zu der Vertreter Russlands und von Belarus eingeladen wurden: Alle diese Sluzkis und Tolstojs, die für die Annexion der Krim gestimmt haben", prangerte die Ukrainerin an. Leonid Sluzki ist der Leiter des Außenausschusses in der Duma und steht ebenso wie der russische Delegationsleiter Pjotr Tolstoj auf der EU-Sanktionsliste.

Etwas abseits machte zudem eine kleine Gruppe sozialdemokratischer Aktivistinnen und Aktivisten auf sich aufmerksam. Bewusst zum Auftakt der OSZE-Parlamentarierversammlung wolle man auch die Bundesregierung dazu aufzufordern, eine aktive Neutralitätspolitik zu betreiben, sagte die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Katharina Kucharowits der APA.

Kritik an Visa-Vergabe an Russen

Zwei US-Kongressabgeordnete - der Demokrat Steve Cohen und der Republikaner Joe Wilson - kritisierten gegenüber dem US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty die Visavergabe an die russische Delegation durch Österreich.

81 Abgeordnete aus 20 Ländern hatten bereits Anfang Februar Österreich aufgefordert, die Teilnahme der russischen Delegation an der OSZE-Tagung in Wien zu verhindern. Parlamentarier aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der Ukraine und Großbritannien unterzeichneten das Schreiben.

Die Tagung der parlamentarischen Versammlung der OSZE in Wien dauert bis Freitag. Bei vorangegangenen OSZE-Treffen hatten die Gastgeber Großbritannien und Polen keine Russen einreisen lassen. Österreichs Außenministerium vertritt den Standpunkt, dass man als Land, in dem die OSZE ihren Hauptsitz hat, zur Erteilung der Visa verpflichtet sei. Auch die OSZE bestätigte das. "Die ausgestellten Visa erlauben lediglich die Teilnahme an der OSZE-Versammlung. Bei Missbrauch wird das Visum aufgehoben", erklärte ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber der APA. Der Besuch anderer Veranstaltungen, wie etwa des freiheitlichen Akademikerballs am Freitag, wäre demnach nicht erlaubt.

Keine Medien erlaubt

Medien sind bei dem zweitägigen Termin keine erlaubt, um damit eine "riesige Propagandashow" russischer Journalisten in der Wiener Hofburg zu verhindern. Dies erklärte der Vizepräsident der Versammlung, Michael Georg Link, am Donnerstag der APA.

Das Aussperren von Journalisten sei in der Tat nicht gut, erklärte Link. "Aber man kann es dadurch begründen, dass man verhindern will, dass die russischen Journalisten reinkommen und dort eine riesige Propagandashow machen würden", sagte der deutsche Bundestagsabgeordnete, der zwischen 2014 und 2017 das OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) in Warschau geleitet hatte.

Link betonte, dass er Proteste von Journalisten gegen ihren Ausschluss verstehen könne und dies keine ideale Lösung sei, die sich zudem auf keinen Fall wiederholen dürfe. Er habe sich auch dafür eingesetzt, dass die PV-Führung am Donnerstag und Freitag Pressekonferenzen veranstalte. "Das ist das Dilemma der Anwesenheit der Russen und das ist natürlich nicht glücklich", sagte der FDP-Politiker.

Die Ausschluss von Journalisten sei auch Thema einer internen Sitzung der Parlamentarierversammlung gewesen, erzählte der APA auch die ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler, die als Delegierte bei der Tagung teilnimmt. Präsidentin Margareta Cederfelt habe am Donnerstagvormittag erklärt, dass man Russen keinesfalls eine Bühne bieten will, sich zu inszenieren und auch russische Journalisten mitzubringen, erläuterte Kugler. Cederfelt habe aber auch betont, dass ihr Medienfreiheit wichtig sei und deshalb eine Videoübertragung möglich sei. Auf Kritik am Ausschluss aller Medien verzichtete die ÖVP-Politikerin auf APA-Nachfrage. "Ich musste es zur Kenntnis nehmen", sagte sie. (apa)