Kiril Petkow und Assen Wassilew sind wieder im Wahlkampf. Am 2. April stimmen die Bulgaren über ein neues Parlament ab – zum fünften Mal binnen zwei Jahren. Erst vor eineinhalb Jahren haben die zwei Harvard-Absolventen Petkow und Wassilew die Reformpartei PP (Wir setzen den Wandel fort) gegründet und traten mit dem Anspruch an, die Korruption im ärmsten EU-Land zu bekämpfen.
Nach ihrem Wahlsieg im November 2021 formten sie eine Vierer-Koalition, an deren Spitze Petkow stand. Doch die Regierung zerbrach nach einem halben Jahr. Beim darauf folgenden Urnengang gewann die konservative GERB, die unter Führung von Ex-Premier Bojko Borissow Jahre lang die bulgarische Politik bestimmt hat – und die nicht mehr ausreichend Verbündete für eine Kabinettsbildung fand.
Nun hofft die PP auf eine neue Chance ab 2. April. Am Freitag waren Petkow und Wassilew in Wien, anlässlich der Gründung des ersten regionalen Parteiklubs außerhalb des Landes, den Unterstützer und Sympathisanten in Österreich ins Leben gerufen haben. Schätzungsweise 30.000 Bulgaren leben hier, ungefähr jeder zehnte nimmt an Wahlen teil.
Weg von russischem Gas
Die Wahlbeteiligung in Bulgarien selbst war beim letzten Urnengang niedrig wie nie zuvor. Nur jeder dritte Berechtigte gab seine Stimme ab. Petkow und Wassilew wollen daher die Basis ihrer Arbeit verbreitern: PP tritt in einem Parteienbündnis zur Wahl an, eingebunden werden auch Nichtregierungsorganisationen. Es gehe nicht nur um eine politische, sondern auch eine zivilgesellschaftliche Bewegung, erklärt Petkow im Gespräch mit Journalisten in Wien: "Es geht um zwei Visionen für Bulgarien, um die Entscheidung, ob wir das alte oder das neue wollen."
Ex-Finanzminister Wassilew zählt auf, was die damalige Regierungskoalition bereits in Angriff genommen habe: "Als der Krieg gegen die Ukraine ausbrach, haben wir uns auf das schlimmste Szenario vorbereitet, in dem die Industrie still steht, das Gas ausgeht. Daher haben wir manche Bereiche umgestellt und haben es geschafft, die Abhängigkeit von russischem Gas auf Null zu drücken. Es ist uns gelungen, die Energiepreise für die Industrie nicht explodieren zu lassen." Außerdem wurden Sozialprogramme aufgelegt, die Pensionen und Mindestgehälter angehoben.
Tatsächlich weist die bulgarische Wirtschaft positive Trends auf. Die Inflation lag zwar im Vorjahr bei 14 Prozent, doch wuchs die Wirtschaft um mehr als 3 Prozent. Das Budgetdefizit bewegte sich bei 3 Prozent.
Dennoch verlor die PP bei der letzten Wahl im Oktober Stimmen. Wassilew kommentiert: "Wenn jetzt im Wahlkampf Pensionisten auf uns zukommen und sich bedanken, weil sie sich nicht mehr entscheiden müssen, ob sie Brot oder Medikamente kaufen, ist das die größte Anerkennung."
Tauziehen um Schengenbeitritt
Optimistisch zeigen sich die beiden Politiker auch zur Aufnahme ihres Landes in die Euro- und Schengenzone. Der Eurobeitritt war für Anfang des kommenden Jahres geplant, doch noch erfüllt Bulgarien etwa das Inflationskriterium nicht. Die Mitgliedschaft im Raum für Reisen ohne Grenzkontrollen ist bis jetzt an Einwänden Österreichs und der Niederlande gescheitert. Dennoch glauben Petkow und Wassilew, dass unter ihrer Regierung die Bedingungen sowohl für den Euro- als auch den Schengenbeitritt noch heuer erfüllt werden könnten.
Groll gegen die österreichische Blockade wollen sie nicht zeigen. Stattdessen möchten sie "die europäischen Partner" einladen, mit ihnen etwaige Lücken bei den Anforderungen zur Grenzsicherung zu schließen. "Statt andere Mitgliedstaaten zu beschuldigen, wollen wir mit ihnen zusammenarbeiten", sagt Petkow.