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Verhärtete Fronten im Pensionsstreit

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

In Frankreich erreichen die Proteste einen neuen Höhepunkt, die Regierung will nicht nachgeben.


Ein "schwarzer Dienstag" in ganz Frankreich soll es werden, so kündigten es die Gewerkschaften an. Und nicht nur das: Die Streiks und Proteste gegen die geplante Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron könnten die ganze Woche und sogar darüber hinaus weitergehen.

Von den Arbeitsniederlegungen betroffen sind unter anderem die Bahn, der öffentliche Nahverkehr von Paris, die Flughäfen, die Müllabfuhr, Raffinerien, Schulen und Kindertagesstätten, Chemieunternehmen sowie Gas- und Elektrizitätswerke, die teils bereits schon am Freitag ihre Leistungen einschränken. Auch Lastwagenfahrer begannen schon am gestrigen Montag mit Blockadeaktionen.

Verkehrsminister Clement Beaune kündigte "starke Auswirkungen und echte Probleme für all jene, die nicht von zuhause aus arbeiten können", an. Budgetminister Gabriel Attal kritisierte, nicht Frankreich, sondern die Menschen würden blockiert: "Wenn ich manche höre, die sagen, dass sie die Wirtschaft auf die Knie zwingen wollen, so sind es die Arbeiterinnen und Arbeiter, die sie auf die Knie zwingen", so Attal. Demgegenüber sagte der Chef der einflussreichen Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, er habe die Regierung immer vorgewarnt, dass "wir einen Gang hoch schalten, wenn nötig".

Mehrheit für Streiks

Bereits in den vergangenen Wochen hatten immer wieder vereinzelte Streik- und Protesttage stattgefunden, an denen sich sehr viele Menschen beteiligten. Auch für heute werden mindestens eine Million Demonstranten im ganzen Land erwartet. Ihnen reicht es nicht, dass die Regierung ihre Pläne auf Wunsch der Opposition teilweise aufgeweicht hat. Denn von ihrem Hauptziel - die Grenze für das Pensionseintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre zu erhöhen und zugleich die Einzahldauer für abschlagsfreie Pensionszahlungen schneller als bisher geplant auf 43 Jahre anzuheben - rücken Macron und Premierministerin Elisabeth Borne nicht ab.

Ohne Reform, so argumentiert die Regierung, droht den Alterssicherungssystemen dauerhaft ein hohes Defizit. Bereits vor drei Jahren wollte der Präsident eine Rentenreform mit noch deutlich umfassenderen Veränderungen durchsetzen, auf die er bei Ausbruch der Coronavirus-Pandemie schließlich verzichtete. Nun möchte er zeigen, dass er nach wie vor handlungsfähig ist, obwohl er bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verloren hat. Demgegenüber wollen die Gewerkschaften des Landes das aktuelle Pensionssystem bewahren, das als soziale Errungenschaft gilt. In Umfragen sprechen sich 71 Prozent der Französinnen und Franzosen gegen die Reform aus. Gut die Hälfte der Menschen befürworten auch die Streiks.

Doch den Gegnern könnte die Zeit ausgehen. Denn indem sie das Gesetz als Nachtragshaushalt zur Sozialversicherung deklariert hat, konnte die Regierung die Debatten auf maximal 50 Tage beschränken. Nachdem zuerst die Nationalversammlung über die Reform verhandelt hat, beschäftigt sich derzeit der Senat mit ihr. Im Anschluss soll eine Kommission aus Abgeordneten beider Kammern einen Kompromiss ausarbeiten. Hier kommt den konservativen Republikanern eine Schlüsselposition zu, da Macrons Regierungsmehrheit ihre Stimmen für ein positives Votum braucht. Sollte es dafür nicht reichen, kann die Regierung die Reform jedoch bis Ende März verordnen, damit sie im September in Kraft tritt. Da sie parlamentarischem Weg nicht gestoppt werden kann, wollen dies die Gewerkschaften mit Blockaden erreichen. Diese gehen nun in eine entscheidende Phase.•