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Österreich trägt Nato-Abwehrsystem mit

Politik

Verteidigungsministerium prüft Teilnahme an einem Luftabwehrsystem, das Nato-Staaten gemeinsam beschaffen wollen.


Es klingt ein wenig nach "Star Wars". Die dem Science-Fiction-Film entnommene alternative Bezeichnung für die "Strategische Verteidigungsinitiative" von US-Präsident Ronald Reagan setzte sich den Aufbau eines Abwehrschirms zum Ziel. Und Ähnliches verfolgt die sogenannte European Sky Shield Initiative. Doch gibt es Unterschiede zwischen dem im Kalten Krieg entwickelten US-Projekt und dem aktuellen Vorhaben europäischer Nato-Staaten. Mittlerweile geht es nicht um die Errichtung eines Rings aus land-, see-, luft- und weltraumgestützten Waffensystemen, die sowjetische Interkontinentalraketen abfangen sollen. Die Sorge vor russischen Angriffen ist aber auch der Hintergrund der europäischen Überlegungen.

Nach Einschätzung der Nato hat Russlands Krieg in der Ukraine die Sicherheitslage in Europa fundamental verändert. Nicht zuletzt Deutschland drängte daher auf eine Stärkung der Luftverteidigung. Denn bisher war die Raketenabwehr in Europa vor allem auf mögliche Bedrohungen aus dem Iran ausgerichtet.

Mit Neutralität vereinbar?

Um den Radius zu erweitern, unterzeichneten im Oktober des Vorjahres 15 europäische Nato-Mitglieder eine Erklärung zur "European Sky Shield Initiative" (ESSI). Neben EU-Ländern wie Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Lettland, Tschechien und Ungarn waren es auch Großbritannien und Norwegen. Im Februar schlossen sich Schweden und Dänemark an. Nun will auch Österreich daran teilnehmen.

Interesse hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bereits im Vorjahr bekundet, und Anfang der Woche wurde es bei einem Treffen mit Amtskollegen in Brüssel etwas konkreter. Im Juli könnte die Teilhabe fixiert werden, bis dahin will Tanner eine unverbindliche Absichtserklärung "ganz genau überprüfen" und gegebenenfalls unterzeichnen. Bei der Ministersitzung hätten sich andere Ländervertreter gefreut, "dass Österreich mit dabei sein wird", berichtete die Ressortchefin der Austria Presseagentur.

Dabei ging sie auch auf Einwände ein, die die SPÖ schon vor Monaten erhoben hatte: jene der Vereinbarkeit mit Österreichs Neutralität. "Selbstverständlich" werde nichts unterschrieben, "was unsere Neutralität oder Souveränität gefährden könnte", erklärte sie.

Die österreichische Haltung stehe der Teilnahme an ESSI laut Tanner aber ohnehin nicht im Weg. Die Initiative entbinde "uns ja nicht davon, dass wir weiterhin unsere aktive Luftraumüberwachung auch selbständig durchführen". Es gehe um eine Ergänzung dazu und werde "indirekt" den Schutz Österreichs verbessern. Immerhin liege das Land an einer Schnittstelle zwischen den Bedrohungen aus dem Osten und Süden, befand die Ministerin.

European Sky Shield soll dabei helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Luftabwehrschirm für Europa zu schließen. Defizite gibt es dort beispielsweise im Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen, aber auch bei der Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern. Über die Initiative sollen unter anderem gemeinsam neue Waffensysteme eingekauft werden, die möglichst günstig ein großes Gebiet abdecken. Anfangs war dabei die Rede vom Iris-T-System des deutschen Herstellers Diehl, das bereits in der Ukraine zum Einsatz kommt, sowie vom Raketenabwehrsystem Patriot des US-Produzenten Raytheon.

Zusatzkosten fürs Heer

Gemeinsame Beschaffungen werden in EU- und Nato-Kreisen intensiv diskutiert. Erst am Montag hatten sich EU-Staaten darauf verständigt, eine Million Artillerie-Geschosse an die Ukraine zu liefern und europäische Beschaffungsprojekte voranzutreiben. Österreich beteiligt sich ebenfalls daran, will aber in erster Linie über diese Bestellungen eigene Bestände auffüllen.

Was aber die Teilnahme an ESSI kosten würde, ließ Tanner offen. Sie räumte jedoch ein, dass das Projekt "budgetär dann einiges Zusätzliche erfordern würde". Sie habe bereits mit dem Finanzminister Gespräche geführt.

Im deutschen Verteidigungsministerium wird betont, dass sich die Zusammenarbeit auch bei der Finanzierung "positiv niederschlägt". Bestellungen in höherer Stückzahl würden die Kosten senken. Jedes Land finanziere dabei seine eigenen Anteile. (czar)