Der kleine Niccolo Pietro aus Turin war 2018 einer von Tausenden seines Namens, die in ganz Italien geboren wurden. Eigentlich nichts Außergewöhnliches, dennoch eine Premiere. Denn mit ihm wurde erstmals ein Kind gleichgeschlechtlicher Eltern in einem italienischen Standesamt registriert. Die damalige Bürgermeisterin der Fünf-Sterne-Bewegung, Chiara Appendino, hatte mit der Registrierung des Buben - der infolge einer in Dänemark durchgeführten künstlichen Befruchtung geboren wurde - einen Präzedenzfall geschaffen. Weitere Städte folgten dem Beispiel und registrierten auf eigene Faust Kinder gleichgeschlechtlicher Paare.
Nun hat das Innenministerium der vereinfachten Anerkennung von Geburtsurkunden aus dem Ausland einen Riegel vorgeschoben. Und damit nicht nur eine Debatte über Homosexuellenrechte und Leihmutterschaft losgetreten, sondern auch gesellschaftspolitische Gräben offenbart, die von der rechtsnationalen Regierung um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni keineswegs zugeschüttet werden.
In Mailand kam es am Wochenende deshalb zu Demonstrationen. Der Präfekt der Stadt hatte per Rundschreiben klargestellt, dass die Eintragung von ausländischen Geburtsurkunden, in denen als Eltern ein gleichgeschlechtliches Paar aufscheint, zu unterlassen ist. Dabei verwies er auf das in Italien geltende Gesetz zur künstlichen Befruchtung aus dem Jahr 2004, die in Italien nur heterosexuellen Paaren erlaubt ist.
Mailands Bürgermeister Giuseppe Sala schloss sich den Protesten an und bezeichnete die Entscheidung als "Rückschritt", musste sich den Forderungen aber beugen. "Die Bürgermeister können nicht bestimmen, ob Kinder mit Eltern desselben Geschlechts beim Standesamt angemeldet werden können. Ihnen fehlen die Befugnisse", stellte die Familienministerin Eugenia Roccella von Fratelli dItalia (FdI) laut APA klar.
Das Gesetz zur medizinisch gestützten Fortpflanzung verbietet auch Leihmutterschaften, die von der amtierenden Regierung als Kernargument gegen eine Gesetzesänderung angeführt werden. "Es ist ein schweres Verbrechen, schlimmer als Pädophilie", sagte der Vorsitzende des Kulturausschusses in der Abgeordnetenkammer, Federico Mollicone (FdI) hierzu kürzlich im Fernsehen.
Weniger radikal, gleichwohl ablehnend gegenüber der Leihmutterschaft äußerten sich auch andere Mehrheitsvertreter. Einem Vorstoß der Europäischen Kommission zur erleichterten EU-weiten Anerkennung von Elternschaften erteilte die italienische Regierung eine Absage. Die Befürchtung: Eine solche Verordnung könnte der Leihmutterschaft auch in Italien Tür und Tor öffnen. Dabei findet die Liberalisierung auf diesem Feld auch bei kaum einer Oppositionskraft Anklang. Maria Carfagna, Vorsitzende der Zentrumspartei Azione und ehemalige Ministerin für Chancengleichheit unter Silvio Berlusconi, ist für die EU-Bestrebungen vereinfachter Registrierungen, jedoch strikt gegen eine Legalisierung der Leihmutterschaft.
"Diskriminierte Kinder"
Auch im Partito Democratico lassen sich dafür nur schwer Mehrheiten finden, selbst wenn die Position der neuen Parteichefin Elly Schlein nicht eindeutig scheint. Ebenso wenig dürfte die Fünf-Sterne-Bewegung hinter der Legalisierung stehen. Diese ortet in der Debatte politisches Kalkül der Regierungsmehrheit: "Es ist klar, dass sie den Fokus auf die Leihmutterschaft legen, um nicht zugeben zu müssen, dass sie Kinder diskriminieren, indem sie ihnen Rechte verweigern, die in anderen Staaten weitgehend anerkannt sind", so Appendino gegenüber der Nachrichtenagentur Adnkronos. Die Koalition aus postfaschistischer FdI, EU-kritischer Lega und rechtskonservativer Forza Italia vollzog seit ihrem Antritt zwar in der Wirtschafts- und Außenpolitik keinen Bruch mit dem erfolgreichen Kurs des Kabinetts um Mario Draghi. Bereits im Wahlkampf hatte die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung aber klargemacht, dass neben einer härteren Gangart in puncto Einwanderung auch die Förderung der traditionellen, heterosexuellen Familie auf der Agenda stehen würde. Zum Leidwesen von Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen, wie die Präsidentin der "Famiglie Arcobaleno" Alessia Crocini findet: "Diese Regierung arbeitet daran, Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern in Italien jedes mindeste Bürgerrecht zu nehmen."