Beim Frühjahrsgipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs wird behandelt, was ansteht. Und die beherrschenden Themen waren auch hier der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine. Themen, die durchaus eine gemeinsame Schnittmenge haben, wenn man die Diskussion um die Atomkraft in Frankreich betrachtet.

Die EU soll nun nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Atomenergie nur in ganz besonderen Fällen fördern. "Die Kernenergie kann bei unseren Bemühungen um die Dekarbonisierung eine Rolle spielen", sagte von der Leyen in der Nacht auf Freitag nach Ende des ersten EU-Gipfeltages in Brüssel.

Die hochmoderne Kernenergie sei nur für bestimmte Beriche geeignet, aber nicht für alle. 

Damit folgt die EU-Kommission nicht der Forderung Frankreichs, Atomenergie mit Erneuerbarer Energie gleichzustellen.

Gemeinsamer Einkauf, koordiniertes Speichern

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten sehen weiterhin das Risiko von Energieengpässen. Momentan sei die Situation zwar entspannter, aber man solle für die nächste Heizperiode vorsorgen. Unternehmen sollen die neue Plattform für gemeinsame Gaseinkäufe nutzen.

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und infolge stark gestiegener Energiepreise hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die Gasspeicher in diesem Jahr koordiniert zu füllen. Die geballte Marktmacht der EU soll für niedrigere Preise sorgen. Außerdem soll damit vermieden werden, dass sich die EU-Staaten wie im vergangenen Jahr gegenseitig überbieten.

Die jüngst von der Kommission vorgeschlagene Reform des europäischen Strommarktes solle nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs bis Ende des Jahres beschlossen werden. Der Kommissionsvorschlag sieht eine Entlastung vor allem durch langfristige Verträge für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und Atomkraft vor.

Verbrennermotoren-Aus: E-Fuels ja oder nein?

Auch im Verkehr ist die Energie das große Thema. Klar scheint, der klassische Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell. Doch der Teufel steckt im Detail, was danach kommen soll.

Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Herbst 2022 darauf verständigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Doch die vorgesehene Bestätigung durch die EU-Staaten scheiterte überraschend an Deutschland. Mittlerweile haben sich auch andere Staaten, darunter Österreich, der Blockade angeschlossen. Es soll nach Meinung derer, auch die Möglichkeit für Verbrennermotoren mit E-Fuels geben. 

Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am jetzigen Gipfel im Streit um die Verbrenner-Neuwagen "viel Zustimmung und Wohlmeinung" für die deutsche Position geortet. Selbst Frankreich unterstütze die Position jetzt, sagte Nehammer am Donnerstag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. "Das ist ein wichtiges Signal, dass wir weiter technologie- und innovationsfreundlich bleiben, wenn wir den Klimawandel ernstnehmen und dagegen angehen wollen", ergänzte Nehammer.

Die zuständige Energie- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte allerdings dem Verbrenner-Aus bei den Verhandlungen zugestimmt. Man wolle sich nicht mit "Vergangenheitsbewältigung" aufhalten, verteidigte Nehammer seine Position.

Wenn Deutschland dem Kompromissvorschlag der EU-Kommission zustimmt, will Nehammer dahinter stehen. "E-Fuels sind die Zukunft, wir können den Verbrennungsmotor und das Know-How, das wir in Europa haben", zum Vorteil nutzen, sagte der Kanzler im Hinblick auf die hohe Abhängigkeit im asiatischen Raum von Auto-Batterien.

Dass Frankreich seine Position, wie Nehammer angab, geändert haben soll, ist eine Überraschung. Auf die Frage, ob es einen Abtausch zwischen Deutschland und Frankreich gebe, wonach Atomkraft freundlicher behandelt werde, erklärte Nehammer, dass das Thema auf Ministerebene behandelt werden wird. i

"Österreich hat sein Position klar gemacht, für uns ist nukleare Energie keine Zukunftsenergie, weil wir die Risiken viel höher einschätzen als den Nutzen", berichtete Nehammer. Natürlich habe Frankreich für Atomenergie interveniert. 

Zur Atomenergie sagte von der Leyen, jedes EU-Land wähle seinen Energiemix selbst. "Atomkraft kann eine Rolle bei unseren Bemühungen um Dekarbonisierung spielen", betonte sie. Die vollen Vorteile wie Erneuerbare würden der Atomenergie aber nicht eingeräumt.

Verschleppte Kinder in Russland finden

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Gipfel auch klargemacht, dass sie internationale Kräfte bündeln will, um die von Russland verschleppten ukrainischen Kinder zu finden. "Wir wollen gemeinsam internationalen Druck ausüben, um alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Aufenthaltsort der Kinder zu ermitteln", sagte von der Leyen am Donnerstagin Brüssel. Sie möchte dafür unter anderem mit UNO-Organisationen zusammenarbeiten und eine Konferenz organisieren.

Man wisse von 16.200 deportierten Kindern, von denen bisher nur 300 zurückgekehrt seien. Von der Leyen sprach von einer "grausamen Erinnerung an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte" und bezeichnete die Verschleppung der Kinder als Kriegsverbrechen. Der Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin sei daher völlig gerechtfertigt.

Der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag hatte vergangene Woche Haftbefehl gegen Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen. Die Ermittler machen den Kremlchef für die Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland verantwortlich. Moskau wiederum behauptet, die Kinder vor Kampfhandlungen in Sicherheit gebracht zu haben.

Der Beschluss der EU-Außenminister, eine Million neue Artilleriegeschosse in den nächsten zwölf Monaten an die Ukraine zu liefern, wurde ebenfalls bestätigt. Unter Verweis auf den Beschluss der EU-Außenminister vom Montag heißt es in der Gipfelerklärung weiter, dass dies auch die mögliche Lieferung von Raketen an die Ukraine beinhalte, "falls angefragt", sowie die gemeinsame Beschaffung und Finanzierung über die EU-Friedensfazilität.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte den EU-Gipfel vor nachlassender Unterstützung für sein Land. "Wenn Europa zögert, hat das Böse Zeit, sich umzustellen und für einen jahrelangen Krieg vorzubereiten", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache aus einem Zug. Er besuchte am Donnerstag die teilweise von Russland besetzten Gebiete im Süden der Ukraine.

Auch die Migration war Thema beim Gipfel. "Den Worten müssen jetzt Taten folgen", forderte Nehammer. Die jüngst angekündigten EU-Pilotprojekte mit Bulgarien und Rumänien seien wichtig. Österreich habe den Bundespolizeidirektor in die USA geschickt, um sich die Grenzanlagen zu Mexiko und technische Innovationen anzuschauen. (apa/dpa)