Ein Motivationsbesuch - so möchte Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen seine Visite in Albanien verstanden wissen. Gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadic und einer Wirtschaftsdelegation war er in Tirana zu Gast; die Reise führt ihn dann weiter nach Skopje in Nordmazedonien.
In beiden Ländern stehen Reformen unter anderem in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Justiz an, daher erklärte Van der Bellen nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Bajram Begaj: "Wir möchten Albanien motivieren und ermutigen, die notwendigen Reformen gerade auch in diesen Bereichen engagiert fortzusetzen und sichtbare Resultate vorzuweisen, um auf dem EU-Integrationsweg rasch voranzuschreiten." Auf diesem wolle Österreich den EU-Anwärter unterstützen.

Von rascher Annäherung kann allerdings kaum die Rede sein. Der EU-Erweiterungsprozess stockt seit Jahren, der russische Krieg gegen die Ukraine hat ihn nur wenig beschleunigt. Die EU hegt zwar Sorgen, dass Russland seinen geopolitischen Einfluss auch in Südosteuropa vergrößern will, doch hat sie in den Ländern des Westbalkan durch ihre Zögerlichkeit mittlerweile schon viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Dabei sollten die EU-Staaten "es sich nicht leisten, hier ein Vakuum entstehen zu lassen", meinte Van der Bellen.
Wirtschaftlich verflochten
Dennoch kommt hinzu, dass einzelne Unionsmitglieder zusätzliche Hürden einbauen, wie etwa für Nordmazedonien. Kaum war der jahrelange Namensstreit mit Griechenland gelöst, meldete ein weiterer Nachbar, Bulgarien, Einwände an, für die geschichtliche Interpretationen herangezogen wurden. Erst im Vorjahr konnten daher EU-Verhandlungen mit Skopje und Tirana starten, obwohl die zwei Staaten schon seit Jahren den Status von Beitrittskandidaten haben.
Die Gespräche selbst werden sich wohl ebenfalls in die Länge ziehen, zumal die Anwärter noch einige Reformen umzusetzen haben. "Dafür ist es ganz entscheidend, die rechtsstaatlichen Strukturen zu stärken und die Korruption zu bekämpfen", befand Zadic. Mit ihrem albanischen Amtskollegen Ulsi Manja unterzeichnete sie eine entsprechende Kooperationsvereinbarung.
Wirtschaftliche Verflechtungen gibt es schon seit längerem; nichtsdestotrotz sieht sich der Bundespräsident, der in Tirana auch ein Wirtschaftsforum eröffnete, als "Türöffner" für österreichische Unternehmer. In den Ländern des Westbalkan zählt Österreich ohnehin bereits zu den größten Investoren. In Bosnien-Herzegowina belegt es nach Angaben der Wirtschaftskammer Österreich sogar Platz eins, in Serbien und Nordmazedonien den zweiten Platz.
In Albanien ist diese Präsenz nicht so ausgeprägt, aber auch dort sind Dutzende Firmen mit österreichischem Kapital vertreten. So besichtigte Van der Bellen das Wasserkraftwerk Ashta im Norden des Landes, das von Verbund und EVN gemeinsam errichtet wurde. Es versorgt rund 100.000 albanische Haushalte mit Strom. 2013 wurde das Kraftwerk in Betrieb genommen; nach 35-jähriger Konzessionszeit geht es in den Besitz des albanischen Staates über. (czar/apa)