Ukrainische Truppen haben offenbar die russisch kontrollierte Stadt Melitopol unter Beschuss genommen. In der Stadt und in einigen Dörfern sei der Strom ausgefallen, meldet die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass. Ziel der Angriffe war das Eisenbahndepot der Stadt. Im Kampf um die Stadt Bachmut im Osten haben ukrainische Truppen unterdessen nach britischen Berichten für Entlastung gesorgt. Trotzdem sollen die Russen in der Stadt zuletzt Boden gutgemacht haben.

Melitopol ist seit März vergangenen Jahres von russischen Truppen besetzt. Es liegt etwa 120 Kilometer südöstlich von dem Atomkraftwerk Saporischschja, wo der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, am Mittwoch eingetroffen ist. Die russischen Besatzer hatten Melitopol zur Hauptstadt des von ihnen eroberten Teils der Region Saporischschja gemacht - auch weil ihnen die Einnahme der Gebietshauptstadt Saporischschja selbst nicht gelungen ist.

Wichtiger Eisenbahnknoten

Melitopol ist ein wichtiger Eisenbahnknoten für das russische Militär. Die Stadt hat eine Bahnverbindung Richtung Krim und von dort führen die Gleise dann auch in andere Städte des Gebiets, was für den Nachschub der Besatzungstruppen insgesamt von hoher Bedeutung ist. Das Eisenbahndepot ist die größte Reparatur- und Wartungsanlage für Lokomotiven im Südosten der Ukraine.

Der Beschuss des Depots durch ukrainische Truppen dürfte vor allem darauf zielen, den russischen Nachschub zu behindern. Militärexperten erwarten in Kürze den Beginn einer ukrainischen Offensive. Als eine der Hauptzielrichtungen gilt dabei das Gebiet Saporischschja, wo die Ukrainer bei einem Vorstoß Richtung Meer - etwa über Melitopol - einen Keil zwischen die russischen Kräfte treiben könnten.

Kämpfe um Bachmut

Inzwischen toben die Kämpfe um Bachmut weiter. Allerdings seien die russischen Angriffe im Vergleich zu vorigen Wochen weiterhin auf einem geringeren Niveau, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. "Eine der wichtigen Errungenschaften der jüngsten ukrainischen Operationen bestand wahrscheinlich darin, die Kämpfer der russischen Wagner-Gruppe von der Route 0506 zurückzudrängen", hieß es. "Diese kleine Landstraße ist zu einer wichtigen Nachschublinie für die ukrainischen Verteidiger geworden. Wagner war zuvor nur wenige Hundert Meter von dieser Straße entfernt."

Nach Einschätzung internationaler Militärexperten hat Russland im Kampf um Bachmut zuletzt aber Boden gutgemacht. Russische Kräfte hätten in den vergangenen sieben Tagen zusätzlich etwa fünf Prozent von Bachmut eingenommen und kontrollierten aktuell knapp 65 Prozent des Gebiets, schrieb das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW).

Für plausibel hält die US-Denkfabrik aufgrund visueller Belege auch die in Militärblogs verbreitete Behauptung, dass die Söldnertruppe Wagner näher ans Stadtzentrum vorgerückt sei und den städtischen Markt eingenommen sowie den Kulturpalast erreicht habe. Auch Aufnahmen ukrainischer Streitkräfte zeigten Schusswechsel mit russischen Truppen im Zentrum der Stadt.

Nach Darstellung des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin gibt es in Bachmut auf beiden Seiten schwere Verluste. Die ukrainische Armee sei "praktisch zerstört" worden, aber auch die Wagner-Einheiten hätten "leider schweren Schaden" davongetragen, sagt Prigoschin in einer Audiobotschaft. (apa, dpa, reuters)