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Debatte um Freihandel mit Mercosur-Staaten bricht nicht ab

Von Julian Mayr

Politik

Die EU erhofft sich mit Blick auf China einen schnellen Abschluss des Freihandelsabkommens. Kritiker bemängeln fehlende Sanktionen.


Als Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro mit 1. Jänner dem alten Bekannten Luiz Inacio Lula da Silva weichen musste, war die Freude in Brüssel groß. Ein Auftauen der frostigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Südamerikas größter Volkswirtschaft sowie ein Ende der vier Jahre andauernden protektionistischen Handelspolitik war in Sicht.

Mehrere EU-Mitgliedstaaten drängten sogleich auf eine rasche Ratifizierung des viel diskutierten Freihandelsabkommens mit den Ländern der Mercosur-Wirtschaftsgemeinschaft, zu denen neben Argentinien, Uruguay und Paraguay auch Brasilien gehört. Etwaige Nachverhandlungen, die nach europäischer Vorstellung mit Lula als Gesprächspartner reibungsloser verlaufen sollen, könnten bis Sommer abgeschlossen werden, will die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Kommissionsbeamten vernommen haben.

Einige EU-Staaten, darunter auch Österreich, äußern Bedenken vor allem im Hinblick auf die heimische Landwirtschaft. Der Markt könnte, so die Befürchtungen, etwa mit billigem Fleisch aus Südamerika geflutet werden.

Eine vor wenigen Wochen durchgesickerte Zusatzvereinbarung zum bereits seit 2019 ausgehandelten Abkommen hatte erneut Kritiker des Pakts auf den Plan gerufen. Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace sehen die Nebenvereinbarung zu Themen wie Umwelt-, Arbeiter- und Minderheitenschutz als reines "Lippenbekenntnis" ohne wirksame Sanktionsmechanismen an.

Pekings Dollar-Diplomatie

Eine Kritik, die Klaus Weyerstraß, Sprecher für Internationale Konjunktur und Außenwirtschaft des Instituts für Höhere Studien (IHS), für berechtigt hält. "Es sind keine Sanktionen vorgesehen", bestätigt er der "Wiener Zeitung". Auch der Klimaökonom Gernot Wagner sieht in der Nebenvereinbarung "weniger konkrete Instrumente", was jedoch angesichts bestehender Hebel, wie der CO2-Steuer, in Ordnung sei. Emissionsintensive Waren, auch aus Südamerika, seien schließlich nicht von dieser Besteuerung ausgenommen.

Die Debatte um die europäische Handelspolitik als - wie sie Ex-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker bezeichnete - "wichtigstes Instrument der Klimapolitik" hat aber auch strategische Hintergründe. Südamerika ist angesichts der derzeitigen angespannten weltpolitischen Lage ein wichtiger Partner, der auch von Peking umgarnt wird.

"China betreibt aktuell recht aggressive ‚Dollar-Diplomatie‘ in Afrika und eben in Lateinamerika. Es wäre sowohl geostrategisch als auch im Hinblick auf die Sicherung von Ressourcen für die Energiewende für die EU sehr wichtig, den Vertrag mit Mercosur abzuschließen", meint Weyerstraß. Dem pflichtet Wagner bei: "Insgesamt ist es bestimmt vorteilhaft für die EU, solche Abkommen mit dann doch ziemlich strikten Zusatzauflagen in Sachen Klima und anderen sozialen Dimensionen zu schnüren."

Die deutsche Regierung mahnt, dass sich die EU wegen der neuen geopolitischen Lage den Wünschen der Partner auf der Südhalbkugel "ein bisschen anpassen muss". Ein Aufschnüren des ausgehandelten Vertrages wird von Brasilien ohnehin abgelehnt.