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EU-Klimaplan nimmt letzte Hürde

Von WZ-Korrespondent Andreas Lieb

Politik

Mit großer Mehrheit beschloss das EU-Parlament Regeln zu Emissionshandel und Grenzausgleich.


Schnell waren im EU-Parlament wieder Superlative zur Hand. Europa führe nun die "grüne Revolution" an, das sei ein "historischer Schritt", sagte Präsidentin Roberta Metsola, die sich über die Verabschiedung von "Schlüsseldossiers" freute. Tatsächlich beschlossen die Abgeordneten mit großen Mehrheiten die letzten großen Brocken des EU-Klimapakets "Fit for 55", das, seiner Bezeichnung entsprechend, eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 55 Prozent bis 2030 zum Ziel hat.

Das ist schon in sieben Jahren, die Zeit drängt also. Besiegelt wurden nun eine Verschärfung des Emissionshandels und die Einführung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM. Schon bisher mussten Unternehmen Verschmutzungszertifikate kaufen, wenn sie durch den Ausstoß von Kohlendioxid die Umwelt belasten; gedacht einerseits als Anreiz, auf saubere Technologien umzustellen, andererseits dafür, die nötigen Mittel für den Klimaschutz nach dem Verursacherprinzip besser aufzuteilen.

Nun werden die Ziele ehrgeiziger. In den Wirtschaftszweigen, für die das System gilt, müssen die Emissionen bis 2030 um 62 Prozent im Vergleich zu 2005 gesenkt werden. Außerdem wird die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten von 2026 bis 2034 schrittweise eingestellt.

Anreize für Drittstaaten

Ein weiterer Punkt geht jedoch über die Industrie hinaus und erreicht Bürgerinnen und Bürger. Es soll ein eigenes neues Emissionshandelssystem (EHS II) für Kraftstoffe aus Straßenverkehr und Gebäuden geschaffen werden. Bis 2027 - oder 2028, wenn die Energiepreise außergewöhnlich hoch sein sollten - wird auch ein Preis für Treibhausgasemissionen aus diesen Bereichen festgelegt. Dieses Vorhaben geht auf einen Vorstoß aus Deutschland zurück.

Dazu kommt nun auch noch das grüne Licht für das CO2-Grenzausgleichssystem CBAM. Das soll Anreize für Drittstaaten schaffen, ihre eigenen Klimaschutzziele höher anzusetzen, weil beim Import von Waren in die EU neue Zölle anstehen - je nachdem, wie umweltschädlich die Produktion erfolgte. Die Regelung soll außerdem dafür sorgen, dass Klimaschutzbemühungen in der Europäischen Union und auf der ganzen Welt nicht dadurch untergraben werden, dass die Produktion aus der EU in Staaten mit weniger strengen Klimaschutzvorschriften verlagert wird.

Das neue System gilt etwa für Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel, Strom, Wasserstoff und unter bestimmten Bedingungen auch für indirekte Emissionen. Wer diese Waren einführen will, müsste die Differenz zwischen dem im Produktionsland gezahlten CO2-Preis und dem höheren Preis der CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandelssystem ausgleichen. Das CO2-Grenzausgleichssystem wird zwischen 2026 und 2034 schrittweise mit der gleichen Geschwindigkeit eingeführt, mit der die kostenlosen Zertifikate im Emissionshandelssystem der EU auslaufen.

Sozialfonds fürs Klima

Im selben Atemzug wird nun auch das Emissionshandelssystem für die Luftfahrt überarbeitet, und erstmals sollen ebenfalls Treibhausgasemissionen aus der Schifffahrt im EHS berücksichtigt werden. Damit wird die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für den Luftverkehr bis 2026 schrittweise eingestellt, und der Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe wird gefördert - eventuell tatsächlich ein Einsatzgebiet für die umstrittenen E-Fuels. Wermutstropfen an diesem Paket: Privatflugzeuge und private Schiffe fallen nicht darunter, was vor allem Oligarchen und andere Milliardäre freuen dürfte.

Im Entscheidungsprozess lange diskutiert wurde über den dritten großen Punkt, die Einrichtung eines Klima-Sozialfonds. Insgesamt 88,6 Milliarden Euro (rund elf Milliarden Euro pro Budgetjahr) stehen zur Verfügung, um ärmere Bevölkerungsschichten, die besonders unter Energiepreisen leiden, bei der "grünen Transformation" zu unterstützen. Hier ist der Rahmen noch diffus; kritische Fragen bei der Präsentation richteten sich auf die Definition von sozial schwachen Bevölkerungsteilen, zumal doch die "Mittelklasse", wie es ein italienischer Journalist ausdrückte, besonders von Teuerungen betroffen sei. Zwar waren sich die parlamentarischen Berichterstatter weitgehend einig, dass gerade diese Frage ausführlich behandelt worden sei, tatsächlich aber lassen sich Kostensteigerungen durch die neuen Maßnahmen aus heutiger Sicht kaum errechnen. Präsidentin Metsola meinte, es gehe nicht um den Selbstzweck; die Umwelt- sei auch eine Wachstumsstrategie, die Jobs schaffe und Technologieführerschaft zur Folge habe.

Österreichische EU-Abgeordnete zeigten sich weitgehend zufrieden: ÖVP und SPÖ sprachen von einem wichtigen und wesentlichen Schritt, die Grünen und die NEOS-Mandatarin begrüßten das Ergebnis. Allein die Freiheitlichen übten scharfe Kritik, sie halten alle Maßnahmen "für den Ausfluss eines wahnwitzigen Projekts" und befürchten "enorme Teuerungen".

Nun liegt der Ball bei den Mitgliedstaaten. Üblicherweise ist die Zustimmung eine Formsache.