Der Kreml bewertet die Aussichten für eine Fortsetzung des Abkommens zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer als nicht gut. Präsident Wladimir Putin habe einen Brief von UNO-Generalsekretär António Guterres mit Argumenten für die Verlängerung erhalten, allerdings gebe es für Russland keine Fortschritte, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag. So hätten die russischen Hersteller von Düngemitteln weiter Probleme, ihre Waren zu exportieren.
Russland beklagt, dass die im Zuge des Krieges in der Ukraine verhängten Sanktionen die Lieferungen behinderten. Kremlchef Putin hatte Guterres aufgefordert, sich international dafür einzusetzen, dass russische Schiffe wieder ungehindert fahren können. Probleme gibt es etwa beim Abschluss von Versicherungen für die Frachter, aber auch bei den Bezahlungen, weil Geldüberweisungen durch die mit Sanktionen belegten russischen Banken schwierig sind. Die negativen Einschränkungen für die russischen Düngemittellieferanten bestünden fort, kritisierte Peskow. Deshalb sehe es nicht gut aus für eine Verlängerung des Abkommens nach dem 18. Mai.
Abkommen als Spielball in Verhandlungen
Russland droht immer wieder damit, das zuletzt Mitte März um 60 Tage verlängerte Getreide-Abkommen platzen zu lassen, wenn seine Bedingungen nicht erfüllt werden. Schon in den vergangenen Tagen beklagten die ukrainischen Behörden Behinderungen beim Auslaufen der Getreide-Frachter aus ihren Häfen. Platzt das Abkommen, könnte die russische Kriegsflotte die Verschiffung des Getreides verhindern.
Experten befürchten, dass es beim Fehlen der Mengen auf dem Weltmarkt erneut zu einem Preisanstieg und möglichen Engpässen in ärmeren Ländern kommt. Die Ukraine gehört zu den bedeutenden Exporteuren von Getreide. Das durch den russischen Aggressionskrieg finanziell geschwächte Land ist zudem dringend auf die Einnahmen aus dem Getreideverkauf angewiesen. Im vergangenen Sommer hatten die Vereinten Nationen und die Türkei ein Ende der Blockade im Schwarzen Meer vermittelt und mit dem Getreide-Abkommen den Export ermöglicht. Größter Abnehmer des Getreides ist China.
Streit zwischen EU-Ländern beigelegt
Im Streit über Agrarimporte aus der Ukraine hat sich die EU-Kommission nach eigenen Angaben mit mehreren osteuropäischen Staaten geeinigt. Man habe dabei Anliegen von Bauern in mehreren EU-Nachbarstaaten und der Ukraine berücksichtigt, schrieb Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis am Freitag auf Twitter. Polen, Bulgarien, die Slowakei und Ungarn werden ihre Gegenmaßnahmen aufheben. Zu dem Abkommen gehöre ein Hilfspaket im Wert von 100 Millionen Euro für Landwirte.
Die vier Länder haben Agrarimporte aus der Ukraine beschränkt und argumentiert, dass billiges Getreide aus dem Kriegsland ihre eigenen Märkte verzerre. Auch Rumänien beklagte sich. Im Rahmen der jetzt gefundenen Einigung könnte die Einfuhr der umstrittenen Agrargüter wieder erlaubt werden - allerdings nur für den Weitertransport und nicht für den Verkauf in den betroffenen EU-Nachbarn.
Die EU hatte nach dem russischen Angriff im vergangenen Jahr Zölle auf Einfuhren aus der Ukraine ausgesetzt, um dem Land einen besseren Zugang zu den internationalen Märkten zu ermöglichen. Die Ukraine ist einer der wichtigsten Getreideproduzenten, kann wegen des Krieges ihre Schwarzmeerhäfen aber nur beschränkt nutzen.
Zuvor hatten sich die EU-Mitgliedstaaten am Freitag darauf geeinigt, die Zölle für ein weiteres Jahr auszusetzen. Damit soll die ukrainische Wirtschaft gestärkt werden, wie die schwedische Ratspräsidentschaft mitteilte. Der Ausschuss der ständigen Vertreter der EU-Länder habe seine Unterstützung signalisiert. Ob alle Länder die Entscheidung begrüßten, blieb unklar - für einen endgültigen Beschluss braucht es aber keine Einstimmigkeit.
Das EU-Parlament muss die Verlängerung noch absegnen. Danach werden die EU-Staaten formell über die Maßnahme abstimmen. (apa)