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Was F-16 der Ukraine bringen

Von Ronald Schönhuber

Politik

Nach dem G7-Gipfel in Japan hofft der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf die baldige Lieferung des von den USA entwickelten Mehrzweckflugzeugs. Experten warnen aber davor, die knapp 40 Jahre alten Maschinen zu überschätzen.


Für Wolodymyr Selenskyj hat sich die Reise zum G7-Gipfel nach Hiroshima auf jeden Fall ausgezahlt. So konnte der ukrainische Präsident nicht nur mit dem bisher wohl stärksten Bekenntnis zur weiteren Unterstützung seine Landes zurück nach Kiew fliegen, sondern auch mit der Zusage über die Ausbildung von ukrainischen Piloten an F-16-Kampfjets in ausgewählten Nato-Ländern.

Damit hat vor allem US-Präsident Joe Biden, der in der F-16-Frage bisher immer gezögert hat, Selenskyj einen lange gehegten Wunsch erfüllt. Schon wenige Wochen nach dem russischen Einmarsch im Februar 2022 hatte die Ukraine auf die Lieferung westlicher Kampfflugzeuge gedrängt. Auf die stetigen Forderungen und Bitten in den Monaten danach reagierte die Regierung in Washington aus Sorge über eine weitere Eskalation des Krieges jedoch stets mit einem rigorosen Nein.

Tödliche Luftverteidigung

Wann die ukrainischen Piloten ihr Training beginnen sollen, ist derzeit noch ebenso unklar wie die Frage, welche Länder dann im Anschluss bereit sind, auch tatsächlich F-16 in die Ukraine zu liefern. Schon jetzt steht allerdings fest, dass die Jets für die wohl in den nächsten Wochen beginnende ukrainische Gegenoffensive aufgrund der zumindest viermonatigen Ausbildungszeit keine Rolle spielen werden.

Militärexperten wie Brynn Tannehill, die über mehrjährige Erfahrung bei der Simulatorausbildung von F-16-Piloten verfügen, warnen zudem davor, die Fähigkeiten des 1979 in Dienst gestellten US-Mehrzweckkampfflugzeugs bei der unmittelbaren Unterstützung von Bodentruppen zu überschätzen. So würde die Ukraine auf dem Schlachtfeld vor ähnlichen Problemen stehen wie die russische Luftwaffe, die sich angesichts einer Vielzahl von effektiven Flugabwehrsystemen kaum über die eigenen Frontabschnitte hinauswagt, um dort Bodenziele anzugreifen. "Für die alten F-16-Jets ist die russische Luftverteidigung immer noch tödlich genug", schreibt Tannehill in einer langen Analyse auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. "Es wäre daher wohl eine Selbstmordidee, mit ihnen in die Reichweite der Russen zu fliegen."

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Aus Sicht von Tannehill wären die F-16, die nicht für die Unterdrückung gegnerischer Luftverteidigungssysteme ausgerüstet sind, zudem einer permanenten Bedrohung durch russische Flugzeuge wie die MiG-31 oder die Su-35 ausgesetzt. Diese Maschinen verfügen dank ihre Größe über ein deutlich leistungsstärkeres Radar, das es ihnen ermöglicht, die F-16 mit reichweitenstarken Raketen ins Visier zu nehmen, lange bevor diese selbst in Schussweite kommen. In der Nato, wo die F-16 in vielen Länder schon durch Kampfjets der fünften Generation wie die F-22 oder die F-35 abgelöst wird, wird dieses Defizit ausgeglichen, indem die Zielerfassung an Awacs-Flugzeuge übertragen wird. Im Gegensatz zum westlichen Verteidigungsbündnis verfügt die Ukraine aber nicht über solche leistungsstarken fliegenden Gefechtsstände.

Effektiv gegen Raketen

Dass die Ukraine die Luftüberlegenheit in gewissen Frontabschnitten erringt, erscheint also selbst bei einer größeren Stückzahl an gelieferten F-16 als wenig wahrscheinlich. Wo die nach wie vor von vielen Ländern eingesetzten Kampfjets der Ukraine aber massiv nutzen könnten, ist die Flugabwehr. So gehen westliche Militärexperten davon aus, dass die Zahl erfolgreicher russischer Raketen- und Drohnenangriffe deutlich sinken würde, wenn die F-16 im Verbund mit bodengestützten Luftverteidigungssystemen eingesetzt werden. Damit wären nicht nur ukrainische Zivilisten besser geschützt, sondern auch Munitionsdepots und Logistikstützpunkte.

Für die F-16 spricht dabei nicht nur, dass sie im Kampf gegen Drohnen und Marschflugkörper wohl deutlich effektiver wäre als die derzeit von der Ukraine eingesetzten MiG-29 und Su-27. So stammen alle Kampfjets der ukrainischen Luftwaffe noch aus Sowjetzeiten und sind damit auf Ersatzeile angewiesen, die so gut wie nur noch in Russland produziert werden. Bei der vom US-Hersteller Lockheed Martin produzierten F-16, von der noch immer knapp tausend Stück nicht nur in Nato-Staaten im Einsatz sind, dürfte die Ukraine dagegen kaum auf Probleme bei der Instandhaltung der Maschinen stoßen.