Kiew. Die militärische Lage in Bachmut war auch am Montag unklar. Militäranalysten gingen davon aus, dass die Stadt größtenteils von russischen Truppen kontrolliert wird. Die ukrainischen Verteidiger befinden sich allerdings im Süden und Norden der Stadt in der Vorwärtsbewegung und versuchen, die Russen einzuschließen. Außerdem dürften die Söldner der russischen Privatarmee Wagner, die in Buchmut im Einsatz sind, stark geschwächt und kaum noch in der Lage, die Initiative zu ergreifen sein.

In Kiew zeigt man sich siegesgewiss: "Durch unsere Bewegung an den Flanken - nach Norden und Süden - gelingt es uns, den Feind zu vernichten", so die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar.

Nach Einschätzung der Experten des US-Instituts für Kriegsstudien ISW benötigen die russischen Streitkräfte womöglich weitere Verstärkung, um Bachmut, das in Schutt und Asche liegt, zu halten und die Flanken zu schützen. Damit könnten die Russen auch nicht - wie geplant - im Westen in Richtung Kostjantyniwka und im Norden in Richtung Soledar vorstoßen. Wenn Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin tatsächlich seine Söldner-Truppen abziehe in dieser Woche, dann seien die regulären russischen Streitkräfte noch weniger motiviert zu neuen Angriffen, hieß es in der ISW-Analyse.

Ein Trümmerfeld

Wagner-Chef Prigoschin hatte am Wochenende die komplette Einnahme Bachmuts erklärt. Er kündigte zudem an, sich aus der Stadt zurückzuziehen und sie am 25. Mai den regulären russischen Streitkräften zu übergeben. Laut Prigoschin sollten sich die Söldner dann erholen.

Ob der russische Abzug aus Bachmut aber problemlos gelingt, ist dahingestellt. Laut dem ukrainischen General Olexander Syrskyj nähern sich ukrainische Truppen einer taktischen Einkesselung der Stadt. Zudem sollen sich nach Angaben Kiews immer noch ukrainische Soldaten in Bachmut befinden. "Unsere Truppen kontrollieren in Bachmut gewisse Objekte und im Stadtteil ‚Flugzeug‘ den Sektor mit Einfamilienhäusern", so die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar. Russische Soldaten durchkämmen indes die von ihnen eroberten Teile der Stadt auf der Suche nach ukrainischen Soldaten.

Zehn Monate Krieg haben Bachmut, das schwer zu verteidigen ist, in eine Trümmerwüste verwandelt. Im März lebten hier nur noch rund 3.000 Zivilisten - zwei Monate später dürften es noch deutlich weniger sein.

Bachmut war vor dem Krieg ein Eisenbahnknotenpunkt. Geld wurde insbesondere mit dem Salzabbau verdient, außerdem kam ein in der Ukraine beliebter Schaumwein aus Bachmut. Inzwischen wird er in der Region um Odessa hergestellt. Mit dem ukrainisch kontrollierten Teil des Umlands ist Bachmut über die T 0504 verbunden, die sie auf ukrainischer Seite "Straße des Lebens" nennen. Über sie erhalten die wenigen der Stadt verbliebenen ukrainischen Einheiten Nachschub. An ihren Rändern sind ausgebrannte Fahrzeuge aufgereiht, wie ein Mahnmal der Gewalt.

Einige Zivilisten bleiben

Beobachter zweifeln seit langem an der strategischen Bedeutung Bachmuts. Der ukrainische Präsident Selenskyj verwies jedoch im März darauf, dass russischen Einheiten nach einer Einnahme Bachmuts der Weg für einen Angriff auf die Großstädte Slowjansk und Kramatorsk offenstünde.

Rund um die zerstörten Gebäuden von Bachmut bleibt nach den Beobachtungen von AFP-Journalisten kaum mehr als Trümmer und Glasscherben - und Kreuze dort, wo getötete Soldaten hastig begraben wurden.

Ein paar wenige Zivilisten, vor allem ältere Menschen, wollen ihre Heimat Bachmut partout nicht verlassen. Auch, wenn sie ihr Leben in Kellern verbringen müssen, ohne Strom und fließendes Wasser.

"Der Kampf um Bachmut hat enorme militärische und menschliche Ressourcen verschlungen", sagt der frühere australische Generalmajor Mick Ryan von der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies. "Diese Investitionen stehen in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Stadt." Die Stadt sei nicht mehr als "ein echtes Symbol - für die Ukrainer und die Russen gleichermaßen", so Ex-Generalmajor Ryan

Beide Seiten hätten sich auf die Stadt fixiert, was aber nur dazu geführt habe, "ihr Potenzial gegenseitig zu schwächen", so der belgische Militärexperte Joseph Henrotin. Doch sei Bachmut "nur ein Teil des Puzzles. "Ihr Fall ist bedeutungslos, wenn die anderen Stellungen halten."(afp/red.)