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Siegreich mit Schrapnell und Tablet

Von Michael Schmölzer aus Bratislava

Politik

In Sachen militärisches Know-how wäre die Ukraine Nato-Vorreiterin, sagen Militärexperten auf der Globsec-Konferenz in Bratislava.


"Kiew weist den Weg: Lehren, die aus den Erfahrungen, des ukrainischen Schlachtfeldes zu ziehen sind", ist der Titel einer Debatte im Rahmen der Globsec-Konferenz, die derzeit in Bratislava stattfindet. Mit dabei Richard Shirreff, ehemals General und stellvertretender Nato-Oberbefehlshaber in Europa. Seiner Ansicht nach wäre es vermessen, wenn Nato-Experten den Ukrainern jetzt Ratschläge geben würden. Vielmehr sei es so, dass ukrainische Offiziere in Zukunft Nato-Soldaten ausbilden würden.

Eine Ansicht, die er mit dem deutschen Fachmann Nico Lange teilt. Das militärische Vorgehen der ukrainischen Verteidiger sei in vielen Aspekten "neu", so Lange, der bis 2022 den Leitungsstab im deutschen Verteidigungsministerium geführt hat.

Wobei Shirreff, der im Irak-Krieg Panzerkommandeur war, darauf hinweist, dass sich die "Natur des Krieges" nicht verändert habe. Wenn die Ukrainer verlorenes Territorium zurückerobern wollten, dann gelte es, den Gegner zurückzudrängen, zur Kapitulation zu zwingen oder zu töten. Nico Lange betont, dass die Art und Weise, wie die Ukrainer Daten über den Gegner und gegnerische Ziele sammelten, richtungsweisend sei.

Es sei nicht die Ausrüstung, es wären vielmehr die handelnden Menschen, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage machen würden. Althergebrachte Waffen und Hightech würden kombiniert eingesetzt, die Geschosse von herkömmlichen Haubitzen mithilfe von Tablets und ausgefeilten Apps ins Ziel gebracht. So werde der Einsatz von Drohnen, Panzern und Schützenpanzern "verbunden". Diesen Einsatz von Waffensystemen habe es immer schon gegeben, so General Shirreff, fundamental sei jetzt die Geschwindigkeit, mit der die militärischen Aktionen abliefen.

Nato "nicht gerüstet"

Wobei der deutsche Experte Lange darauf hinweist, dass dieser Tage die schiere Masse an billig produzierten Kampfdrohnen, die "überall zu finden" seien, eine Herausforderung darstellten. Denn kostspielige Abwehrraketen seien in diesem Fall keine gute Verteidigung. Auch Shirreff ist der Ansicht, dass die Zeit drängt. Er will nicht ausschließen, dass die Nato direkt in den Ukraine-Krieg eingreifen muss. Das könnte seiner Ansicht in wenigen Jahren das "Worst-Case-Szenario" sein, wenn die ukrainische Gegenoffensive scheitern sollte.

Der US-General Ben Hodges legte in Bratislava ebenfalls seine Einschätzungen dar. Der ehemalige Oberkommandierende der US-Streitkräfte in Europa will die Nato-Ostflanke für einen eventuellen Angriff Russlands gerüstet sehen. Er schätzt die Lage der Nato jetzt besser ein als früher, doch sei man immer noch nicht vorbereitet. So würde die Verlegung großer Truppenteile nach derzeitigem Stand zu langsam verlaufen, auch mangele es an Munition.

Kritik übt Hodges an der Einsatzbereitschaft der deutschen Bundeswehr. Die sei nicht gegeben, weil es am politischen Willen dazu fehle. Auch wenn es genug Kriegsgerät gebe, müsse mental der Wille vorhanden sein, wirklich in den Kampf zu ziehen, so der frühere Top-General.