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Drohnenflotte mit Kurs auf Moskau

Politik

Nach wochenlangen russischen Angriffen auf Kiew wurde nun auch Russlands Hauptstadt erneut zum Ziel unbemannter Flugobjekte. Wer Urheber der Attacke ist, bleibt indes ungesichert.


"Wir dachten, es sei weit weg, aber jetzt kommt es auch hierher zu uns", zitiert die ARD-Korrespondentin Ina Ruck auf Twitter eine Frau in Moskau. Das Haus der Frau war am Dienstag beschädigt worden. Mutmaßlich von einer ukrainischen Drohne, sagt zumindest das Verteidigungsministerium in Moskau. Die russische Hauptstadt ist am frühen Dienstagmorgen unter den Beschuss mehrerer unbemannter Flugobjekte geraten, wie russische Nachrichtenagenturen erklärten. Bewohner Moskaus berichteten von lauten Knallgeräuschen in den frühen Morgenstunden, gefolgt von Benzingeruch und Rauchschwaden. Fünf Drohnen seien mit elektronischer Abwehr abgelenkt, drei weitere abgeschossen worden.

Laut einem Telegram-Kanal mit Verbindungen zum Geheimdienst könnten es mehr als 24 unbemannte Drohnen gewesen sein, die unter anderem den Nobel-Vorort Rubljowka ansteuerten, nur wenige Minuten von Wladimir Putins Präsidenten-Residenz Nowo-Ogarjowo entfernt. Die Behörden meldeten zwei Verletzte und leichte Schäden an Gebäuden, einige Bewohner zweier Apartmentblöcke mussten vorübergehend ihre Wohnungen verlassen. Russischen Medien zufolge gab es auch Schäden in der Nähe des Lenin-Prospekts und unweit des Wnukowo-Flughafens. Das Verteidigungsministerium spricht von einem "Terroranschlag". Für den russischen Abgeordneten Maxim Iwanow war es der schwerste Angriff auf Moskau seit dem Ostfeldzug der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. Das Außenministerium erklärte, sich "scharfe Maßnahmen" als Antwort auf den Angriff vorzubehalten.

In Kiew, das am Dienstag den dritten Tag in Folge russischem Beschuss mit einigen Todesopfern ausgesetzt war, zeigte man sich erfreut über die Angriffe auf die Besatzer. Eine Verwicklung des Landes wies der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak, jedoch zurück: "Natürlich haben wir damit nichts direkt zu tun." Bereits vor knapp vier Wochen, als über dem Kreml zwei Drohnen explodiert waren und US-Geheimdienstberichten zufolge die Ukraine daran beteiligt gewesen sein könnte, erklärte sich Kiew als nicht verantwortlich.

"Russisches Drehbuch" für Kiew?

Zuletzt gab es vermehrt Angriffe auf russisches Territorium, vor allem in den grenznahen Regionen zur Ukraine - zumeist nicht auf zivile Ziele. Sie könnten Teil einer Reihe von Täuschungsmanövern sein, um in den Reihen der russischen Führung und Armee im Hinblick auf die ukrainische Großoffensive zur Rückgewinnung russisch besetzter Gebiete Verwirrung zu stiften.

John Spencer, ehemaliger Major der US-Armee, etwa sprach gegenüber der "Financial Times" (FT) von "Grauzonenoperationen", die Russland dazu zwingen würden, Ressourcen zu bündeln.

Kiew wende nun das "russische Drehbuch gegen Russland selbst" an und täusche über die wahren Intentionen und Schritte hinweg, meint Spencer. Ähnlich wie es in den Anfangswochen des Konflikts im Falle der Stationierung russischer Truppen in Weißrussland der Fall gewesen war, die möglicherweise von dort aus eine Offensive hätten starten können. So würde der Gegner vor eine Reihe von Dilemmata gestellt und in seiner Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt, sagt der ehemalige britische Offizier Mike Martin ebenfalls zur FT.

Wie nach dem Vorfall am Kreml vor wenigen Wochen legen Mutmaßungen im Internet jedoch auch nahe, dass die Angriffe eine sogenannte False-Flag-Aktion Moskaus sein könnten, um eine weitere Eskalation im Krieg zu rechtfertigen. Eine Option, die auch Podoljak spöttisch benennt: "Möglicherweise sind nicht alle Drohnen bereit, die Ukraine zu attackieren, und sie wollen zu ihren Schöpfern zurückkehren." (jm)