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Rechtsliberales Dacapo in Polen?

Von Martyna Czarnowska

Politik

Ein Sieg würde der regierenden PO eine schwierige Partnersuche bescheren.


Warschau. Leise war es um Janusz Palikot auch früher nicht gewesen. Doch nun bekommt der ehemalige Abgeordnete der polnischen Bürgerplattform (PO) Aufmerksamkeit auch von jenen, die mit seinem Hang zum Aktionismus sonst nichts anfangen konnten. Der Unternehmer und Politiker, der bei seinen Auftritten auch einmal mit einer Pistole und einem Silikonpenis zur Verspottung vermeintlicher Obsessionen der Rechten herumfuchteln konnte, hat nach seinem Austritt aus der PO eine eigene Gruppierung gebildet: die Bewegung zur Unterstützung Palikots (RPP). Und er hat keine schlechten Chancen, nach der Parlamentswahl am Sonntag ins Abgeordnetenhaus einzuziehen.

Sein möglicher, in Umfragen prognostizierter Erfolg zeigt nicht zuletzt, dass die polnische Parteienlandschaft alles andere als einbetoniert ist - und dass Zuordnungen zu politischen Lagern wie "rechts" und "links" dort nicht so eindeutig gemacht werden können. Palikot, der aus dem konservativen Lager kommt, wirbt nun mit linken Ideen: Er ist für die Legalisierung von ziemlich allem, was sich legalisieren ließe, ob homosexuelle Partnerschaften oder weiche Drogen. Die wirtschaftsliberale Bürgerplattform ist gesellschaftspolitisch durchaus konservativ, und die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) setzt linke Akzente wie Forderungen nach mehr staatlicher Unterstützung für Bedürftige oder teilweiser Rücknahme von Privatisierungen. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es unzählige Parteispaltungen und Neugründungen. Und noch keine Regierung hat es geschafft, bei einer Wahl bestätigt zu werden.

Vorsicht bei Reformen

Doch Ministerpräsident Donald Tusk könnte es nun gelingen. Meinungsforscher - die in Polen allerdings an der Urne schon manches Mal Lügen gestraft wurden - sagen seiner Bürgerplattform am Sonntag einen Wahlsieg voraus. Demnach würde fast jeder Dritte der Regierungsfraktion seine Stimme geben. Jedoch ist deren Vorsprung vor PiS von Jaroslaw Kaczynski in den vergangenen Wochen geschrumpft. Kaczynski hat sich in seiner Kampagne bemüht, das Image des verbissenen Polterers abzustreifen und es so gut wie vermieden, antideutsche oder antirussische Ressentiments zu schüren, die in Polen noch keineswegs völlig verschwunden sind. Seine PiS hat versucht, ärmere Bevölkerungsschichten anzusprechen, jene, die vom ökonomischen Aufschwung, wie er in Warschau zu sehen ist, nichts haben. Jene, die nicht zu spüren bekommen, dass Polens Wirtschaft in den letzten Jahren stetig gewachsen ist.

Doch gibt es andererseits auch innerhalb der besser gebildeten und verdienenden Schichten etliche, die mit der Arbeit der Regierung nicht zufrieden sind. Vor vier Jahren haben sie die Bürgerplattform gewählt, mit der Hoffnung, dass die Fraktion wirtschaftliche Reformen beschleunigen und das Land außen- aber auch gesellschaftspolitisch offener machen würde. Aber Tusk agierte eher vorsichtig. War vor wenigen Jahren noch von einer Flat-tax die Rede, einer Vereinfachung des Steuersystems, Erleichterungen für Klein- und Mittelbetriebe oder tiefgreifenden Reformen im Gesundheits- und Pensionsbereich, gab es tatsächlich nur zaghafte Schritte in diese Richtung. Eine Neustrukturierung des Staatshaushalts ist ausgeblieben, und beim Ausbau der Infrastruktur - etwa beim Bau von Straßen und Autobahnen - hat die Regierung ihre Ziele weit verfehlt. Und dass sich die PO vom Einfluss der katholischen Kirche emanzipiert hätte, lässt sich ebenso nicht behaupten.

Ungewisse Konstellationen

Dennoch hoffen auch etliche Investoren darauf, dass die PO an der Macht bleibt und für Stabilität an den Märkten sorgt. Doch müsste sie die Staatsausgaben reduzieren und das Budgetdefizit unter die Fünf-Prozent-Marke drücken.

Mit welcher Partei sie das tun könnte, bleibt freilich offen. Die bisherige Koalitionspartnerin, die Bauernpartei PSL, könnte aus der Wahl geschwächt hervorgehen. Ein Regierungsbündnis mit der PiS - wie vor wenigen Jahren diskutiert - scheint so gut wie ausgeschlossen. Eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis der Demokratischen Linken wäre schwierig, da dieses andere Vorstellungen von wirtschaftlichen Reformen hat. Von den sieben landesweit kandidierenden Parteien haben vier oder fünf die Chance auf Mandate, nachdem sie die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament geschafft haben. Eine davon könnte Palikots Bewegung sein. Diesem könnte bei künftigen Koalitionsverhandlungen eine größere Rolle zukommen als so manchem lieb ist.