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Rom braucht Mafia-Gelder

Von WZ-Korrespondent Wolf H. Wagner aus Florenz

Politik

Mafia bunkert allein bei US-Banken bis zu 500 Milliarden Euro.


Rom. Es geht nicht um Kleingeld. "Etwa 400 bis 500 Milliarden US-Dollar aus den Geschäften des organisierten Verbrechens werden Jahr für Jahr in amerikanischen Banken gewaschen." Dies erklärte der italienische Journalist und Autor von "Gomorra", Roberto Saviano, auf einer Konferenz in New York. Saviano verdeutlichte, dass Geldströme aus dem Drogenhandel in die USA transferiert würden, von wo sie auf Umwegen wieder in die Geschäfte nach Italien zurückkämen. Seit Jahren untersucht der Autor vor allem die Geschäftspraktiken der kampani- schen Camorra. Insbesondere hätte die gerade zurückgetretene Regierung Silvio Berlusconis außer großen Ankündigungen nicht unternommen, um die Handlungsfreiheiten und Machenschaften des organisierten Verbrechens einzudämmen. Wie Beispiele gerade in Kampanien zeigten, konnten die Clans mit der Rückendeckung der Politik rechnen, die ihrerseits wieder auf die Unterstützung der Camorra bauen konnte. Dies, so Saviano, zeigte sich besonders deutlich an der Rolle des Wirtschaftsstaatssekretärs Nicola Cosentino, der nicht nur die Unterstützung des Partei- und Regierungschefs Silvio Berlusconi, sondern auch die der Chefs des Clans von Casale di Principe genoss.

Wurzeln im Baugewerbe

Mit dem Fall der Berlusconi-Administration seien nun dem Staat zwei entscheidende Schläge gegen die Camorra gelungen: Zunächst hatte man Anfang der Woche italienweit 55 Personen aus Mafia, Politik und Wirtschaft verhaftet und damit ein Netz der wirtschaftlichen Aktivitäten der Camorra empfindlich getroffen. Zum Zweiten gelang es einen Tag später, den Superboss der Camorra, den seit 1996 gesuchten Michele Zagaria, in seinem Zufluchtsort nahe Casale di Principe zu ergreifen. Zagaria wurde nach der Verhaftung des Patriarchen Antonio Bardellino und der Bosse Francesco Sandokan Schiavone, Francesco Bidognetti und Antonio Iovine, genannt O’ninno, dem unternehmerischen Geist der Clans, als der operative Kopf der Casalesi angesehen. Er kontrollierte mit eiserner Hand die Wirtschaft nicht nur der Region Kampanien, sondern auch weiterer im Lande. So unter anderem die Müllentsorgung in Kampanien, den Baustoffhandel und diverse Bauunternehmen. Damit ähnelt er dem ehemaligen Regierungschef: Auch Silvio Berlusconi begann seine berufliche Karriere als Bauunternehmer. Ihm wurden stets Kontakte zur sizilianischen Cosa Nostra nachgesagt. Berlusconis "Macher" Marcello Dell’Utri wurde in zwei Instanzen zu Haftstrafen wegen Beziehungen zum organisierten Verbrechen verurteilt.

Unter Zagaria kontrollierte die Camorra von Casale den größten Früchtemarkt Italiens in Fondi. Die Clans investierten längst in "legale Industrie" in der Emilia Romagna und kontrollieren nach den Ermittlungen der Antimafiaeinheit DIA die Wirtschaft der Lombardei.

Monti soll aufräumen

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Die Hoffnungen vieler richten sich nun an die neue Regierung Mario Monti. Von ihr werden ernsthafte Schritte gegen die organisierte Kriminalität erhofft. Angesichts der Höhe der Gelder, die in diesem Bereich fließen, könnten bei Rückführung in die "gesunde Wirtschaft" große Teile des Staatshaushaltes saniert werden, ohne dass die Bevölkerung in dem jetzt aufgeführten Maße den Gürtel enger schnallen müsse. Beobachter zweifeln allerdings, dass eine neue Mannschaft an der Spitze eine langjährig geübte Praxis so leicht ausräumen kann. Eine Kabinettsumbildung und einige Schläge gegen die Mafia bedeuten noch nicht den Sieg. Wie die Fülle der Ermittlungen zeigt, ist die organisierte Kriminalität eng mit der Politik vor allem im rechten Lager verwoben. Das macht ihre Geschäfte komplex - und enorm mächtig.