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Eurokrise bestimmte den polnischen EU-Vorsitz

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Viel Lob für Professionalität, wenige greifbare Erfolge.


Brüssel. Die Polen haben den EU-Vorsitz Anfang Juli im schwierigsten Moment für die Union übernommen, alles wird derzeit von der Eurokrise überschattet: In dieser Diagnose waren sich am Mittwoch alle einig, als der polnische Premier Donald Tusk sein Resümee über die letzten fünfeinhalb Monate vor dem EU-Parlament zog. Fast einhelliges Lob gab es auch für das professionelle Agieren der Polen. Bis auf die Finalisierung des verschärften Eurostabilitätspakts konnten diese aber kaum weit reichende Beschlüsse erzielen.

Die feierliche Unterzeichnung des Vertrags über den Beitritt Kroatiens per 1. Juli 2013 war nur noch eine Formalität. Bei den großen polnischen Prioritäten wie der östlichen Partnerschaft oder dem EU-Patent konnte Warschau seine Ziele bisher nicht erreichen. Wenn es um die Rettungsversuche des Euro ging, fehlte Polen als Nicht-Euro-Land die Gestaltungsmöglichkeit. Die Leitinitiativen kamen aus Berlin und Paris.

Immerhin zeigte sich Tusk in seiner Rede erneut als Europäer: "Entweder nehmen wir heute den Kampf auf für das geeinte Europa oder wir werden es morgen nicht aufrechterhalten können", warnte er. Daher könne er auch keine Genugtuung über erfreute Kommentare darüber empfinden, "dass Großbritannien wieder eine Insel geworden ist". London hatte letzte Woche als einziges Land vom Eurorettungsversuch "Fiskalpakt" Abstand genommen. Es habe sich gezeigt, dass nicht die EU-Institutionen das Problem seien, sondern nationale Egoismen und Befindlichkeiten, sagte Tusk.

Wenig überraschend lobte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Tusk für seine Verdienste um die Gemeinschaft und die EU-Institutionen. Spitzenvertreter des EU-Parlaments zeigten sich begeistert, dass sie vielfach frühzeitig in Entscheidungsprozesse eingebunden wurden. "Außergewöhnlich zufrieden" sei er mit seinem Landsmann gewesen, sagte Parlamentspräsident Jerzy Buzek, wie Tusk Mitglied der Europäischen Volkspartei. "Sie sind so gut, Sie könnten glatt Sozialdemokrat sein", streute der sozialdemokratische Fraktionschef Martin Schulz dem Premier Rosen.

Dänemark übernimmt

Nicht leicht hatte es Tusk dagegen mit den östlichen Partnern der Union, denen er am liebsten eine langfristige EU-Perspektive gegeben hätte. Doch hat sich der wichtigste Ostpartner Ukraine disqualifiziert, die Verurteilung der früheren Premierministerin Julia Timoschenko wurde von der EU als offensichtlichstes Symptom von Politjustiz erkannt.

Das EU-Patentsystem steht immer noch ohne Gerichtshof da, weil sich Großbritannien und Frankreich scheinbar um den Sitz streiten. Bleiben einige kleinere Beschlüsse, wie das am Mittwoch verabschiedete EU-Gesetz zur Kennzeichnung von Fruchtsäften.

Blieb dem polnischen Premier die nicht sehr riskante Einschätzung, dass "die Krise noch nicht vorbei" sei. Die wird auch den nächsten EU-Vorsitz überschatten, den Dänemark übernimmt - erneut ein Nicht-Euro-Land.