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Cameron kämpft um Schottland

Von Gerhard Lechner

Politik

Verweis auf wirtschaftliche Vorteile stößt in Edinburgh auf wenig Gehör.


Edinburgh/London. "Sind Sie dafür, dass Schottland ein unabhängiges Land sein sollte?" Wenn es nach dem schottischen Ministerpräsidenten Alex Salmond geht, wird das die Frage sein, die die rund fünf Millionen Schotten in einem Referendum zu beantworten haben. Der Chef der linksliberalen Scottish National Party (SNP), die seit Mai mit absoluter Mehrheit in Edinburgh regiert, steuert zielbewusst auf die Unabhängigkeit von London hin. Im Jahr 2014, so der geschichtsbewusste Salmond, soll die zuvor gut vorbereitete Abstimmung stattfinden - am 700. Jahrestag der Schlacht von Bannockburn, als eine zahlenmäßig unterlegene schottische Streitmacht der englischen Ritter Herr wurde. Damals lag die grausame Hinrichtung des schottischen Nationalhelden William Wallace, noch heute als "Braveheart" bekannt, nur neun Jahre zurück: Als Hochverräter wurde er in London zuerst aufgehängt, dann entmannt, lebendig ausgeweidet, schließlich geköpft und zuallerletzt gevierteilt.

Salmond befindet sich da heute in einer deutlich bequemeren Position gegenüber England. Sein Treffen mit Großbritanniens Premierminister David Cameron am Donnerstag fand nicht einmal in London statt - Cameron war es, der sich nach Edinburgh bemühen musste. Ein Gespräch auf Augenhöhe mit dem britischen Premier statt mit seinem Schottlandminister - so hatte es sich Salmond gewünscht und bekommen. Auch wenn Cameron diesen Eindruck zu zerstreuen versuchte - er sei nicht des Treffens wegen nach Schottland gereist, hieß es.

London wäre bei dem Referendum eine andere Frage lieber: "Sind sie dafür, dass Schottland das Vereinigte Königreich verlassen sollte?" Cameron hielt in Edinburgh ein flammendes Plädoyer für die Einheit Großbritanniens. "Ich werde mit allem, was ich habe, dafür kämpfen, unser Vereinigtes Königreich zusammenzuhalten", sagte der Engländer. "Für mich ist das kein gewöhnliches Politikfeld, keine Frage von Strategie oder Kalkül - es betrifft den Kopf, das Herz und die Seele. Unser gemeinsames Haus ist bedroht", formte der Premier eindringliche Worte - und suchte die Vorteile der Union zu unterstreichen: Gemeinsam habe man mehr politisches Gewicht in der Welt - etwa einen Sitz im UN-Sicherheitsrat - und das weltweit viertgrößte Verteidigungsbudget. Vor allem aber für den schottischen Wohlstand sei das Zusammenbleiben besser: Großbritannien sei eine der größten Wirtschaftsmächte auf dem Globus.

Streit ums Öl

Doch gerade wirtschaftliche Argumente führt auch Salmond immer wieder ins Treffen, wenn es um die angepeilte Trennung geht. Unter der Nordsee, so der 57-Jährige, liege noch Öl im Wert von 1000 Milliarden Pfund, eine Quelle des Reichtums, die dann allein für die Schotten sprudeln würde. Derzeit fließen die Einnahmen aus dem schottischen Erdölgeschäft - und die britischen Erdölfelder befinden sich fast ausschließlich vor der schottischen Küste - nach London und werden dort neu verteilt. Während Edinburgh sich deswegen übervorteilt fühlt, argumentiert London, dass Schottland auch mehr Mittel aus dem Gesamttopf bekomme als andere Regionen des Königreiches.

Ob wirklich eine Mehrheit der Schotten die Abspaltung will, ist vor den Hintergrund vor allem des wirtschaftlichen Für und Widers unklar. Umfragen ergeben eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Autonomie, aber keine für eine völlige Unabhängigkeit. Wohl auch deshalb setzt Salmon im Gegensatz zu Cameron auf eine Abstimmung im Jahr 2014: Als der Londoner Premier im Jänner unter Verweis auf die unklare Lage für Investoren auf eine rasche Entscheidung drängte, zeigte ihm Salmond die kalte Schulter. Am Zeitplan werde nicht gerüttelt.

Alle Bande zu London will allerdings auch die SNP nicht durchschneiden: Nach ihrem Modell würde das unabhängige Schottland ein Staat des Commonwealth mit der Queen als Oberhaupt bleiben. Und auch das britische Pfund wollen die schottischen Nationalisten behalten - bis auf weiteres jedenfalls, denn an der EU-Politik Camerons hat Salmond so einiges auszusetzen. In Edinburgh befürchtet man durch die britische Isolationspolitik Handelskonflikte mit der EU, was die schottische Exportwirtschaft, die enge Bande mit dem Kontinent pflegt, schädigen könnte - zum Beispiel den lukrativen Export schottischen Whiskys. Letzten Dezember hat Salmond London deshalb bereits die Rute ins Fenster gestellt: Langfristig würde Schottland in die Euro-Zone streben. Der SNP-Chef schränkte seine Aussage aber sofort ein: Nur wenn die wirtschaftlichen Bedingungen stimmten und die Schotten dazu in einem Referendum Ja gesagt hätten. Das Fünf-Millionen-Land könne aber auch EU-Mitglied werden, ohne den Euro zu übernehmen.