Zum Hauptinhalt springen

Die Doppelmoral der EU-Länder

Von Reinhard Göweil aus Brüssel

Politik
Der Bauer, ein Unternehmer wie jeder andere: EU will mehr Forschung und Innovation.
© © © Les and Dave Jacobs/cultura/Corbis

Heftiges Tauziehen um 370 Milliarden Euro Agrarförderung für 2014 bis 2020.| EU-Kommission sieht Widersprüche zwischen Sparauftrag und Ablehnung von Kürzungen.


Brüssel. "Österreich ist Teil des sogenannten 100-Milliarden-Euro-Klubs. Die Regierung in Wien will im neuen Finanzrahmen bis 2020 eine zehnprozentige Kürzung des EU-Budgets. Das wird natürlich Auswirkungen auf das Agrarbudget haben, und daher tun wir uns hart, wenn dasselbe Österreich im Rat der Landwirtschaftsminister gegen jede Kürzung auftritt."

Georg Häusler, Kabinettschef von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, hat eine Botschaft - und die bringt er auch an erfolgreich an: Es könne nicht sein, dass die Mitgliedsländer der EU-Kommission klare Sparziele formulierten, aber die Umsetzung dieser Sparziele torpediere. Das Agrarbudget macht etwa ein Drittel jener 1000 Milliarden Euro aus, die zwischen 2014 und 2020 von EU-Stellen zur Entwicklung des Kontinents ausgegeben werden sollen. Nettozahler wie Österreich haben in einem Brief gefordert, dieses Budget linear um zehn Prozent zu kürzen. Jedoch denkt die EU-Kommission offenkundig nicht daran, den Spagat zu machen: Die EU-Regierungschefs sollen beim Gipfel im Dezember Volumen und Maßnahmen zur "Gemeinsamen Agrarpolitik" (GAP) beschließen.

Das Parlament spricht mit

Bis dahin wird es noch ein ziemlicher steiniger Weg, denn der Vertrag von Lissabon gibt dem EU-Parlament mehr Mitspracherecht, als es früher der Fall war. "Das stellt uns vor neue Herausforderungen, mit der erst alle umzugehen lernen müssen", sagte die EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger (VP) zu österreichischen Journalisten. Wenigstens dabei sind sich EU-Parlament und EU-Kommission einig. "Die Mitsprache des Parlaments ist eine völlig neue Situation", räumte auch der aus Österreich kommende Kommissions-Mitarbeiter Georg Häusler ein. Bisher machte die Kommission einen Vorschlag, das Parlament arbeitete sich daran ab - aber die Entscheidung trafen die Regierungschefs mit der Festlegung, wie hoch das Agrarbudget ausfallen würde.

Damit endet die Einigkeit aber weitgehend. "Ziel der Agrarreform ist es, dem Konsumenten billige und sichere Lebensmittel bereitzustellen", so Köstinger. "Es geht jetzt darum, die Legitimität der Beihilfen für die Landwirtschaft zu erhöhen", meinte Häusler. Dies soll bewerkstelligt werden, indem auch an die Direktförderungen höhere ökologische Bedingungen geknüpft werden, wie etwa bestimmte Fruchtfolgen zur Schonung des Bodens.

Ganz normale Unternehmer

Österreichs Landwirtschaft bekommt damit ein kleines Problem: Die ökologischen Programme - und die dazugehörige Förderung - hängen an freiwilligen Verträgen, im EU-Kauderwelsch "Zweite Säule" genannt. Um das Problem zu entschärfen, will Köstinger, dass die freiwilligen Leistungen automatisch anerkannt werden. Die EU-Kommission hat damit kein Problem, will aber Kontrollen. "Ein Automatismus würde dazu führen, dass es unkontrolliert nationale Menüs gibt. Das werden wir nicht unterstützen", erklärte Häusler in Brüssel.

Um die 370 Milliarden Euro Agrarförderung für den Zeitraum 2014 bis 2020 gibt es also ein heftiges Tauziehen. "Österreich liegt im Mainstream. Anpassungen sind notwendig, weil es künftig regional einheitliche Flächenprämien geben soll. Das wird zu einer Umverteilung führen. Sonst gibt es nur ein Problem, wenn sich Österreich mit seiner Forderung nach einer generellen Budgetkürzung durchsetzt."

Neben den vielen Förderfragen soll laut Häusler der Bauer stärker als Unternehmer behandelt werden. "Die Agrarforschung ist sogar in Großbritannien, das eine vergleichsweise günstige Betriebsstruktur hat, praktisch zum Erliegen gekommen." Das soll nun verbessert werden. "Forschung und Entwicklung werden bewusst außerhalb des Agrarbudgets gefördert, um zu dokumentieren, dass ein Bauer ein Unternehmer wie jeder andere auch ist", sagte Häusler. "Und wir brauchen auch in der Landwirtschaft technische Entwicklung, um wettbewerbsfähig zu bleiben."