Zum Hauptinhalt springen

Brüssel klagt Ungarns Regierung

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Streit um Unabhängigkeit der Zentralbank in Budapest beigelegt.


Brüssel. Ein Schritt vorwärts und einer zurück: Im Streit mit der Europäischen Kommission kann die ungarische Regierung auf einen Durchbruch und einen Misserfolg verweisen. So wurde der Zwist um die Zentralbank des Landes, deren Unabhängigkeit die EU-Behörde gefährdet sah, beendet. Nach einem Treffen von Ungarns Premier Viktor Orban mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso befand Brüssel, dass Budapest genügend Garantien zur Wahrung der Eigenständigkeit der Bank abgegeben habe und kündigte an, das entsprechende Verfahren wegen Verletzung des EU-Rechts einzustellen - falls sich die Regierung tatsächlich an ihre Zusagen hält.

Allerdings laufen noch zwei weitere solche Verfahren gegen Ungarn. Und die werden jetzt vor Gericht weitergeführt. Die Kommission klagt das Land wegen einer Neuordnung der Datenschutzbehörde sowie wegen der Senkung des Pensionsantrittsalters von Richtern und Staatsanwälten. Diese will die Regierung in Budapest bereits mit 62 und nicht erst wie bisher mit 70 Jahren in die Pension schicken.

Auch in diesen Fällen ist Brüssel um die Unabhängigkeit der staatlichen Institutionen besorgt. Die Kommission kritisiert, dass der 2008 für sechs Jahre ernannte nationale Datenschutzbeauftragte durch eine Agentur ersetzt werden soll. Die vorzeitige Pensionierung wiederum sieht sie nicht zuletzt deswegen als "problematisch" an, weil es sich um Altersdiskriminierung handeln könnte. Ungarns Opposition ortet da noch mehr: den Versuch des Kabinetts, unliebsame Richter loszuwerden.

Neue Hoffnung auf Geld

Auch das ist für EU-Justizkommissarin Viviane Reding ein Grund für die Klage beim Europäischen Gerichtshof. Es gehe dabei nicht um Kleinigkeiten, sagte sie: "Das zeigt die Tatsache, dass Budapest vorhat, von heute auf morgen 274 Richter frühzeitig zu entlassen." Das sei immerhin ein Zehntel aller Richter des Landes.

Ministerpräsident Orban kann von der Klage kaum überrascht sein. Schon zu Beginn seines Brüssel-Besuchs räumte er Meinungsunterschiede zwischen der Kommission und seiner Regierung ein. Die Pensionierungspläne rechtfertigte er mit Änderungen im Pensionssystem, das Budapest generell neu strukturieren möchte. So bemühte sich Orban um Gelassenheit: "Dann werden wir die Angelegenheit eben vor Gericht klären."

Immerhin kann er gleichzeitig betonen, dass das dritte Verfahren eingestellt wird. Das ist für Ungarn umso wichtiger, weil das Land damit auch wieder auf Finanzhilfen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF) hoffen kann. Budapest hat die internationalen Kreditgeber im November des Vorjahres um Geld gebeten, doch die Verhandlungen darüber wurden im Dezember abgebrochen - unter anderem wegen der Bedenken der EU zur Unabhängigkeit der ungarischen Zentralbank.

Budapest möchte mit Hilfe der IWF-Mittel die Zinslasten senken, die sich zuletzt kritischen Werten näherten. Und schon die von der EU-Kommission gewährte Aussicht auf neue Gespräche ließ den Forint nach oben schnellen. Auch ungarische Staatsanleihen zogen an: Die Renditen für zehnjährige Schuldverschreibungen fielen auf acht Prozent. So tief waren sie seit zwei Monaten nicht.