Zum Hauptinhalt springen

Zeugnisverteilung in der Kommission

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Barroso fordert Schritte in Richtung einer Wirtschaftsunion ein.


Brüssel. Auf die Stärke Europas muss José Manuel Barroso schon seines Berufs wegen setzen. Der Präsident der EU-Kommission ist davon überzeugt, dass sich die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts zwischen drei Polen bewegen werde: Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika und China. Doch dafür - und da zügelt Barroso seinen Optimismus schon - müssen die Europäer weitere gemeinsame Anstrengungen zur besseren Kooperation unternehmen. Ansonsten drohe die EU "irrelevant" zu werden.

Die Präsentation der Berichte zur Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten nahm der Kommissionspräsident zum Anlass, einmal mehr für eine verstärkte Integration in der EU zu plädieren. Die Währungsunion müsse um eine Wirtschaftsunion erweitert werden, befand Barroso. Schritte dazu wären etwa die Schaffung einer europäischen Aufsicht und einer gemeinsamen Einlagensicherung in der Euro-Zone. Laut Barroso brauche es Führungsrollen auf allen Ebenen, um die ökonomischen Schwierigkeiten, aber ebenso die Lösungen dafür darzulegen.

So füge sich auch die Bewertung der jeweiligen Spar- und Reformpläne, die jedes Land nach Brüssel gemeldet hatte, in ein Ganzes, erklärte der Kommissionspräsident. Die Berichte sind Teil einer verstärkten Überwachung der Haushaltsdisziplin, die in Zukunft Krisen wie in Griechenland verhindern soll. Die Mitglieder stehen dabei vor der Herausforderung, teils rigide Vorgaben zur Eindämmung der Schulden mit Maßnahmen zu kombinieren, die die Wirtschaft wieder zum Wachsen bringen sollen.

Budgetdefizite sinken

Und die Länder hätten sich Mühe gegeben, lobte Barroso. So gehen beispielsweise die Budgetdefizite im Allgemeinen zurück. Die Kommission empfahl sogar, das Defizitverfahren gegen Deutschland und Bulgarien einzustellen. Immerhin habe Berlin es geschafft, das Staatsdefizit schneller abzubauen als zunächst geplant. Die größte Volkswirtschaft in der Union hat schon im Vorjahr die von der EU festgelegte Grenze von drei Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt) unterschritten. Bulgarien konnte sein Haushaltsminus im Vorjahr auf 2,1 Prozent drücken.

Eine erfreuliche Nachricht gab es auch für Ungarn. Geht es nach der Brüsseler Behörde, sollte die Blockade der Förderungen für das Land wieder aufgehoben werden. Die im März gesperrten Mittel in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro sollten wieder freigegeben werden, erklärte die Kommission. Denn auch Budapest werde das Budgetdefizit heuer und im kommenden Jahr unter die Drei-Prozent-Marke bringen.

Das Defizitverfahren selbst will Brüssel aber nicht eingestellt wissen. Damit befindet sich Ungarn weiterhin in der großen Gruppe der Länder, die wegen ihrer Schulden gerügt werden. Wenn Deutschland und Bulgarien nun daraus rausfallen, bleiben noch immer 21 Staaten, gegen die Defizitverfahren laufen. Nur noch Estland, Finnland, Luxemburg und Schweden gehören nicht dazu.

Doch sind die Schuldenquoten nicht die einzigen Probleme, die die Mitglieder plagen. So mussten sich zwölf Staaten einer vertieften Analyse unterziehen, weil die EU-Kommission dort sogenannte makroökonomische Ungleichgewichte geortet hatte, die riskante wirtschaftliche Entwicklungen anzeigen können. Und dabei geht es nicht einmal um Griechenland, das unter gesonderter Beobachtung steht.

So hätten laut Kommission Spanien und Italien nicht nur mit hohen Schuldenquoten zu kämpfen, sondern auch mit Verlusten auf Exportmärkten. Letztes trifft ebenfalls auf Großbritannien und Belgien zu. Eine Verschlechterung der Handelsbilanz gab es in Frankreich; Schweden und Großbritannien haben Schwierigkeiten auf dem Immobilienmarkt. Zypern wiederum bereitet sein schwächelnder Bankensektor Sorgen. Weitere Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft sollten außerdem Bulgarien, Dänemark, Finnland, Ungarn und Slowenien ergreifen. Falls sie das nicht tun und sich die makroökonomischen Ungleichgewichte noch vertiefen, kann Brüssel in letzter Folge Geldstrafen verhängen.

Die Empfehlungen der EU-Kommission müssen noch die Länder beschließen. Barroso hofft, dass sie nicht verwässert werden, wenn die EU-Staats- und Regierungschefs zu ihrem Gipfeltreffen Ende Juni zusammenkommen. Auf der Wunschliste der Kommission für das Treffen steht ebenfalls die Zustimmung zu jenen Wachstumsimpulsen, die bereits seit Monaten debattiert werden: Projekt-Anleihen, Stärkung der Europäischen Investitionsbank oder gezielte Nutzung von EU-Fördermitteln.

Auch das wären laut Barroso Bausteine, um die ökonomische Stärke Europas zu sichern. Die Notwendigkeit dessen betonen ebenso die Länder. Die Entstehung einer tatsächlichen Wirtschaftsunion haben sie allerdings bisher selbst verhindert.