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Händedruck für den Frieden

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Treffen zwischen Elizabeth II und Vizeregierungschef Martin McGuiness.


London. Sie kam in Grün. Er hatte sich eine Krawatte der gleichen Farbe umgebunden. In diesem Teil der "Grünen Insel" bedeuten solche Gesten noch etwas. Während sie sonst eher blau-weiß-rot daherkommt, gab sich die britische Königin gestern besondere Mühe, Respekt vor ihren irischen Mitbürgern in Nordirland zu bekunden. Umgekehrt ließ es Nordirlands Vize-Regierungschef an Höflichkeit nicht fehlen. Sein erstes Treffen mit Elizabeth II., erklärte Martin McGuinness anschließend, sei "very nice", sehr schön, gewesen.

Es war, ohne Zweifel, eine historische Begegnung - diese Begegnung der Befehlshaberin der britischen Streitkräfte und eines mutmaßlichen früheren Stabschefs der Irisch-Republikanische Armee. Nach Jahren des Zögerns hatte sich der Ex-IRA-Mann und nunmehrige Inhaber des zweithöchsten Regierungsamtes in Nordirland zu einem Händeschütteln mit der ehemaligen Erzfeindin überreden lassen. Die Queen ihrerseits reichte einem Politiker die Hand, den ihr Sohn Charles vor Jahren einmal zu den "extremistischen Untermenschen" dieser Welt gezählt hatte.

Viel Blut war geflossen, und viele Wunden hatten vernarben müssen, bevor es zu dieser Zusammenkunft hatte kommen können. Tausende waren Nordirlands "Troubles" zum Opfer gefallen. Als 1972 die Fallschirmjäger Ihrer Majestät in der Stadt Derry 14 unbewaffnete Katholiken töteten und später von Elizabeth II. mit Orden ausgezeichnet wurden, war Martin McGuinness einer der erbittertsten Feinde der "Krone" geworden. 1977, anlässlich ihres Silberjubiläums, musste die Königin zur Entgegennahme protestantischer Glückwünsche unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen nach Nordirland ein- und schnell wieder ausgeflogen werden. In den katholischen Bezirken löste ihre Stippvisite wütende Proteste und Krawalle aus. Mit der "Königin des Todes" wollte man nichts zu schaffen haben.

1979 rächte sich die IRA an der Königsfamilie mit der Ermordung des Onkels von Prinz Philip, Lord Mountbatten, eines Cousins der Königin. Damals sprach Charles, der seinen Großonkel liebte, von den "extremistischen Untermenschen" der IRA. Noch gestern konnte es Philip nicht über sich bringen, mit McGuinness ein paar Worte zu wechseln, als der ihn anzusprechen suchte.

Unversöhnliche werfen McGuinness Verrat vor

Immerhin gab auch er ihm am Ende, wie es das Protokoll verlangte, gesittet die Hand. Die Königin brachte sogar ein Lächeln zustande. Sie und McGuinness seien ja auch "politische Profis", ließen Belfaster Beobachter vernehmen. Fünfzehn Jahre nach dem endgültigen Waffenstillstand der IRA und vierzehn nach der Belfaster Friedensvereinbarung war die Zeit für eine symbolische Besiegelung des Friedens auf höchster Ebene gekommen.

Für McGuinness war der Händedruck noch einiges schwieriger als für die Königin. Etliche Republikaner halten die gestrige Begegnung für Verrat. Mit der freundlichen Begrüßung der Queen in Belfast, finden sie, hätten McGuinness und seine Partei Sinn Fein endgültig die Hoheit der Krone über Nordirland anerkannt. In Derry, der McGuinness-Hochburg, fanden sich über Nacht Parolen wie "Pass bloß auf, Marty" und "Sinn Fein hat uns verraten und verkauft" an Hausmauern.

In Belfast gingen mehrere hundert unversöhnliche Republikaner auf die Straße. Beim Hissen einer irischen Trikolore auf dem Hausberg von Belfast, am Black Mountain, kam es zu Zusammenstößen mit Hammer- und Sichel-bewehrten Loyalisten. Außer der Trikolore hatten die Demonstranten ein Leintuch mit der Aufschrift "Eriu ist unsere Königin" aufgehängt. Eriu war eine kriegstüchtige keltische Sagenfigur.

Vor diesem Hintergrund musste McGuinness vorsichtig agieren. Erst einmal lehnte er den Vorschlag ab, die Königin auf ihrer Gartenparty an Stormont Castle, vor tausenden unionistischer Gäste, zu begrüßen - wohin die Nordiren eingeladen waren, "um dem Gefühl ihrer Ehrfurcht und ihrer Wertschätzung für Ihre Majestät Ausdruck zu geben".

Statt sich als ehrerbietiger Untertan vorführen zu lassen, willigte McGuinness in eine Begegnung in Belfasts Lyric Theatre, anlässlich einer karitativen Veranstaltung der grenzübergreifenden Organisation "Co-Operation Ireland", ein. Der irische Staatspräsident Michael D. Higgins stand ihm, um die Geste noch deutlicher zu machen, zur Seite. Und McGuinness erlaubte sich, Elizabeth II. auf Irisch anzusprechen. Er soll ihr "alles Gute" und "den Segen Gottes" gewünscht haben.

Die Königin selbst hatte McGuinness den Normalisierungs-Schritt erleichtert, als sie voriges Jahr bei ihrem epochalen Staatsbesuch in Dublin um unterschiedslos "alle Opfer des jahrhundertelangen Konflikts zwischen Britannien und Irland", also auch um die Opfer britischer Gewalt, trauerte. Vor der Begegnung mit McGuinness hatte sie außerdem am Dienstag in der Stadt Enniskillen eine katholische Kirche besucht - bemerkenswerterweise das erste Mal überhaupt, dass sie eine Kirche "der anderen Seite" in Ulster aufgesucht hatte. Bei so viel Symbolik sah auch McGuinness keinen Grund mehr, weiter zu warten. Alles sei "gut gegangen", erklärte er nach dem Treffen lächelnd. "Und ich bin immer noch Republikaner."