Budapest/Bratislava. Die Enttarnung des NS-Kriegsverbrechers Laszlo Csatary durch die britische Boulevardzeitung "The Sun" in Budapest stößt in Ungarn kaum auf Widerhall. Einen Bericht, der über "Sun"-Informationen hinausgeht, brachte nur die linksliberale Tageszeitung "Nepszabadsag". In der Slowakei hingegen sorgt es für Aufruhr, dass es Journalisten gelang, Csatary in einem vornehmen Budapester Wohnviertel aufzuspüren und an der Haustür zu fotografieren.

Nur wenige überlebten den Terror, den Csatary 1944 in Kosice anordnete. Damals gehörte es zum Ungarn des umstrittenen Reichsverwesers Miklos Horthy. Der 1913 oder 1914 geborene Csatary, Mitglied der ungarischen Pfeilkreuzler, war dorthin als Kommandeur der Königlichen Ungarischen Armee abgeordnet. Er gilt als Schlüsselfigur bei der Deportation von rund 15.700 Juden aus Kosice und Umgebung ins Vernichtungslager Auschwitz. Außerdem peitschte er mit Vorliebe weibliche Insassen eines Sammellagers aus, stellte eine Liste zur "Säuberung der Stadt von unerwünschten Bürgern" zusammen und ordnete Festnahme, Folter und Deportation 1.200 "unzuverlässiger Bürger" an. Das Simon Wiesenthal Center in Jerusalem (SWC) erklärte "den Sadisten von Kosice" deshalb im September 2011 zum meistgesuchten Kriegsverbrecher der Welt.

Der Bezirksvolksgerichtshof Kosice verurteilte Csatary 1948 auf Grundlage der Aussagen von Holocaust-Überlebenden in Abwesenheit zum Tode, entzog ihm darüber hinaus auf 15 Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte und ließ sein Vermögen einziehen. Dennoch gelang es Csatary die kanadische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Sie wurde ihm erst 1997 wegen des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen aberkannt. Ein Jahr zuvor war der bisher unbehelligte Csatary von Ermittlern aufgespürt worden. Als Beweismaterial dienten vor allem die Befragungen von 29 Zeugen durch die slowakische Generalstaatsanwaltschaft.

Efraim Zuroff vom SWC wirft den ungarischen Behörden Untätigkeit vor. Er hatte die Staatsanwaltschaft schon 2006 über Csaratys Aufenthalt in Budapest informiert. Seit Dezember läuft die Fahndung. Am 3. Jänner erbaten die Staatsanwälte Material von ihren slowakischen Kollegen, ebenfalls im Jänner forderte das SWC die Staatsanwaltschaft erneut zum Handeln auf. Am 3. März ging eine Kopie der Prozessakte von 1948 nach Budapest. Seit April ermittelt die Staatsanwaltschaft in Budapest "auf Grundlage von Informationen des SWC".

Die "Sun"-Journalisten stießen auf Csaraty, weil ein ungarischer Staatsbürger dem SWC per E-Mail dessen Adresse mitgeteilt hatte. Der Informant erhielt umgerechnet 20.517 Euro Belohnung.

Zuroff hofft nun, dass Csatary umgehend angeklagt wird. Die Beweisführung wird allerdings immer schwieriger, von den Gräueltaten zeugt unter dem Gesichtspunkt prozessualer Verwertbarkeit nur noch die Akte von 1948. Ansonsten sei die Region Kosice, was den damaligen Terror angehe, "ein einziger weißer Fleck auf der Landkarte", klagt beispielsweise Monika Vrzgulová vom Holocaust-Dokumentationszentrum in Bratislava.