Prag/Brüssel. Die tschechische Regierung lockert das Verkaufsverbot für hochprozentigen Alkohol, obwohl sich weiter Menschen mit gepanschtem Schnaps vergiften. Bis Ende nächster Woche wird das Verbot teilweise aufgehoben, beschloss die Regierung in Prag in der Nacht auf Donnerstag. Es war wegen einer Vergiftungsserie mit inzwischen 23 Toten verhängt worden. Ein neues Siegel soll die Sicherheit der Konsumenten garantieren.

Ministerpräsident Petr Necas sprach von einem wichtigen Signal. Das rote Siegel soll unter strengen Auflagen vergeben werden. "Jeder Charge wird ein Protokoll eines staatlich anerkannten Labors beigefügt, das eine Stichprobe auf Methanol-Gehalt und giftige Rückstände geprüft hat", erläuterte Necas. Das Siegel soll zunächst nur für neue Fabrikware vergeben werden.

Die Vergiftungsserie mit methanolhaltigem Alkohol riss nicht ab. Am Donnerstag meldete ein Krankenhaus in Ostrava (Ostrau) laut der Agentur CTK die Aufnahme eines 53 Jahre alten Mannes.

Die Schnapsindustrie klagt unterdessen über enorme Einbußen. Der Hersteller des klassischen Kräuterlikörs Becherovka aus Karlovy Vary (Karlsbad) stoppte die Produktion und schickte seine Mitarbeiter für diese Woche nach Hause, wie das Unternehmen mitteilte.

Unklar ist, ob das Prüfsiegel der Regierung die Ängste in den Nachbarländern beruhigen kann. Die EU-Kommission hat Tschechien zu einem Exportstopp für alle Spirituosen mit einem Alkoholgehalt von mehr als 20 Volumenprozent aufgefordert. EU-Kommissionssprecher Frederic Vincent sagte am Donnerstag in Brüssel, die Kommission erwarte, dass Tschechien jene Maßnahmen, die im eigenen Land im Gefolge des Skandals ergriffen wurden, auch an den Export anpasse. Dies bedeute, dass Getränke mit über 20 Prozent Alkoholgehalt für den Export verboten sein sollten, wenn sie in Tschechien nicht zugelassen seien.

Die Prager Regierung will am Montag oder Dienstag die EU-Landwirtschaftsminister über den Skandal rund um Methanol-Alkohol informieren. Polen hat wegen des Skandals einen Importstopp für über 20-prozentigen Alkohol aus Tschechien verhängt. In Österreich ist der inkriminierte Alkohol bisher nicht aufgetaucht. In EU-Kreisen hieß es, es habe sich in Tschechien um sehr billige Ware gehandelt, die nicht für den Handel vorgesehen sei.