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Ein Euro-Transfertopf in der Ferne

Von Martyna Czarnowska und Hermann Sileitsch

Politik

Europa-Abgeordnete erteilen einem gesonderten Euro-Parlament Absage.


Brüssel. Soll Brüssel beim Pensionsantrittsalter oder bei der Lohnhöhe mitreden? Könnten künftig Transferzahlungen an Krisenländer aus einem Ausgleichstopf der Eurozone fließen - soll es also noch ein Budget neben dem EU-Budget geben? Darf die Kommission womöglich sogar Reformen diktieren - quasi "Troika"-Programme für alle Euroländer? Quer durch ideologische Lager und über die Breitengrade lautet die Antwort: "Nein, auf keinen Fall!"

Und dennoch: Solche Zumutungen werden mit der Vertiefung der Währungs- zu einer echten Wirtschaftsunion virulent. Es liegt nun an den "vier Präsidenten", einen genauen Fahrplan zu entwerfen. Gemeint sind Herman Van Rompuy (EU-Rat), José Manuel Barroso (Europäische Kommission), Jean-Claude Juncker (Eurogruppe) und Mario Draghi (Europäische Zentralbank).

Woher, wofür und wie viel?

In Brüssel kursiert bereits ein inoffizieller Entwurf aus der Feder von Van Rompuy für das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs Mitte Oktober. Dort soll ein Zwischenbericht vorgelegt werden, für den Dezember-Gipfel ist schon der finale Report mit konkreten Vorschlägen eingeplant.

Die Ideen, die Van Rompuy ventiliert, werden noch für große Aufregung sorgen. Laut dem Papier sollen die Eurostaaten nämlich verbindliche Verträge unterzeichnen, mit denen sie sich verpflichten, die Reformvorgaben aus Brüssel umsetzen. Die jährlich von der Kommission vorgelegten "länderspezifischen Empfehlungen" würden damit zu Vorschriften. Das könnte in Teilen sogar die nationale Entscheidungshoheit über Pensionen, Löhne oder sogar Steuerfragen unterlaufen.

"Nicht sehr erfreulich" nennt Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Vorschläge. Der Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion dürfe "nicht immer Sozialabbau oder Abbau von Sozialleistungen heißen". Er wolle, dass die soziale Schieflage nicht verstärkt, sondern abgebaut werde.

Auch von einer Art zentralem Finanzministerium für die Eurozone ist die Rede - und von einem "zentralen Haushalt". Und das, wo sich die Staaten noch nicht einmal über den regulären EU-Haushalt einigen können.

Die Grundintention ist aber klar: Eine Währungsunion muss als Krisenprophylaxe einen Ausgleichstopf haben - oder "Mechanismen für fiskalische Solidarität", wie es im Entwurf heißt. Etliche Fragen zu diesem Zentralbudget der Währungsunion lässt das Rompuy-Papier freilich offen.

Janis Emmanouilidis von der Denkfabrik EPC (European Policy Centre) fasst diese in drei Bereiche zusammen: "Wofür nutzt man solch ein Zentralbudget, wie groß soll es sein und wie speist man es?" Auch da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Während Berlin etwa gerne das Ziel der Förderung von Wettbewerbsfähigkeit verfolgt, lenkt Paris die Aufmerksamkeit auf die Arbeitslosigkeit und wie diese zu bekämpfen wäre. So könnten zusätzliche Mittel verwendet werden, um soziale Sicherungssysteme in den Staaten zu stärken.

Dieser soziale Aspekt könnte nach Ansicht von Emmanouilidis aber auch in Deutschland thematisiert werden. "Das Argument, etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa unternehmen zu wollen, löst sicher positivere Reaktionen aus als die bloße Feststellung, wir müssen verschuldeten Ländern unter die Arme greifen", vermutet der EU-Experte. Gleichzeitig würde das Signal ausgesendet, dass Europa eine starke soziale Dimension hat. Politisch verkaufen ließe sich das als "Teil eines Paketdeals".

Und was würden jene Länder, die Geld zur Verfügung stellen, dafür bekommen? In erster Linie Kontrolle. Sie hätten ein Druckmittel in der Hand, andere Staaten zu mehr Haushaltsdisziplin zu verpflichten. Jedenfalls müsste ein Zentralbudget einen klaren Mehrwert aufweisen - für Geber als auch für Nehmer.

Daher dürfe ein möglicher Etat nicht zu klein sein, weil das kaum etwas bewirken würde, meint Emmanouilidis. Wenn das Budget umgekehrt zu groß wäre, dann stellte sich wiederum die Frage, was überhaupt der Unterschied zum generellen EU-Haushalt wäre. Offen bleibt in beiden Fällen, woher das Geld kommen soll.

Absage an Euro-Parlament

Ein weiteres Problem sehen EU-Parlamentarier. Sie fragen sich, wie das Zentralbudget demokratisch legitimiert würde. Wer sollte über dieses abstimmen - ein Euro-Parlament? Oder doch das Europarlament, wo auch Nichteuroländer wie die Briten mitreden?

Überlegungen zu eigenen Institutionen für die Eurozone sieht SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried als Idee derer an, die das Abgeordnetenhaus schwächen wollen. "Zwei Parlamente können die Staaten besser gegeneinander ausspielen", sagt Leichtfried. Er übt auch Kritik am Ratspräsidenten. Van Rompuy begreife nicht, dass es gelebten Parlamentarismus brauche. "Für ihn zählen nur die Staaten, manchmal blickt er auf die EU-Kommission" - aber viel zu selten auf die Volksvertretung. Die Verhandlungsposition des EU-Parlaments sei, dass es keine neue Teilung geben dürfe, sagt auch der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU): Der Euro sei die Währung der Europäischen Union - und das Europaparlament ihr Parlament.