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Eine Wahl mit Fragezeichen

Von Gerhard Lechner

Politik

Opposition vermutet Manipulationen, | OSZE spricht von "Rückschritt".


Kiew. Das Video soll aus Dnipropetrowsk stammen, der Heimatstadt der inhaftierten Julia Timoschenko, und es zeigt einen seltsamen Vorfall: Eine Kamera filmt einen Gang, in dem Wahlurnen aufgestellt sind. Dann nähert sich eine junge Frau und wirft noch ein paar Stimmzettel dazu. Die Timoschenko-Partei "Batkiwtschina" (Vaterland) stellte das Video noch am Sonntag ins Internet. Sie vermutet Wahlfälschung.

Es sind Nachrichten wie diese, die die Runde machen, wenn in der Ukraine Wahlen abgehalten werden. Auch diesmal wieder, bei den Parlamentswahlen am Sonntag, soll es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Aus der Hafenstadt Odessa wurde beispielsweise über Stifte mit verblassender Spezialtinte berichtet, die ausgelegt worden seien. In Donezk, wo Präsident Wiktor Janukowitsch seine Anhänger hat, sollen Wähler massenhaft zu den Wahllokalen transportiert worden sein. Und in Lugansk, im äußersten Osten des Landes, soll ein Kandidat Wähler mit Lebensmittelgutscheinen zu bestechen versucht haben. Dies alles, so vermutet die Opposition, um dem Präsidenten die erwünschte Mehrheit in der "Werchowna Rada", dem ukrainischen Parlament, zu sichern. Was - mit oder ohne Manipulationen - offenbar gelungen ist: Janukowitschs "Partei der Regionen" kommt nach Auszählung von mehr als 60 Prozent der Wahllokale auf rund 34 Prozent der Stimmen - mit den verbündeten Kommunisten, die mit etwa 15 Prozent überraschend gut abgeschnitten haben, dürfte sich eine knappe Mehrheit ausgehen.

"Schiefe Wahlkampfarena"

Innenpolitisch hätte Janukowitsch damit das Match, zumindest vorerst, für sich entschieden - ob er mit dem Wahlergebnis aber auch außenpolitisch reüssieren kann, bleibt zweifelhaft. Dem Präsidenten, der die Ukraine international in eine immer stärker werdende Isolation geführt hat, ist die Anerkennung der Wahlen durch den Westen als frei und fair nämlich sehr wichtig. Zumal Beobachter darauf verweisen, dass der Ukraine ein Handelskrieg mit Russland droht, und das Verhältnis Janukowitschs zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der dabei die deutlich besseren Karten hat, ein miserables ist. Ob der Westen Janukowitsch den Gefallen tut, ein Auge zuzudrücken, ist unsicher: Zwar wurden Stimmabgabe und Zählung von westlichen Beobachtern eher positiv beurteilt, die Auswertung der Stimmen erntete jedoch Kritik. Die OSZE sprach von einem "Rückschritt" gegenüber den letzten Wahlen. Vor allem die "schiefe Wahlkampfarena" wurde bemängelt, der "Missbrauch von Macht" und die "übermäßige Rolle des Geldes".

Dass die Macht des Geldes aber auch in der Ukraine Grenzen hat, musste am Sonntag der finanzstarke Boxer Vitali Klitschko einsehen: Mit rund 13 Prozent blieb er doch deutlich hinter der etablierten Timoschenko-Partei, die im Wahlkampf wesentlich zurückhaltender aufgetreten war. Einen Erfolg fuhr dafür die nationalistische "Swoboda" ein, die erstmals ins Parlament einzog.