London. (wak) Der unkonventionelle Bürgermeister, der in seinen Umfragewerten sogar Margaret Thatcher bei Beliebtheitswerten übertrifft, hat wieder zugeschlagen: Londons Boris Johnson machte sich in einer Rede dafür stark, dass das Vereinigte Königreich seine Rolle in der EU noch einmal verhandeln solle. Er sei zwar dafür, innerhalb der EU zu bleiben, aber Großbritannien müsse eine "Minimalisten-Strategie" fahren. Man (und damit ist die Regierung von Premier David Cameron gemeint) müsse aufhören, zu versuchen, die Integration der EU voranzutreiben. Großbritannien solle im Stande sein, seine eigenen Zinsen und Steuern zu setzen und dafür die Brüsseler Bürokratie über Bord werfen.

Johnson sagte bei einem Medien-Event in der Hauptstadt, dass Großbritannien in die "äußere Reihe" der EU navigieren solle und eine ähnliche Position einnehmen solle "wie die von Norwegen oder der Schweiz" - zwei europäische Länder, die nicht in der EU sind. Dazu solle aber Großbritannien als EU-Mitglied die Möglichkeit haben, weiterhin Gesetze auf EU-Ebene zu beeinflussen. Und wer weiß, sollte Großbritannien diese "äußere Reihe (‚outer tier‘)" entwerfen, dann würden vielleicht auch die Schweiz und Norwegen der EU auf dieser Basis beitreten.

Vor einem hochrangigen Publikum von Finanzleuten und Diplomaten nannte Johnson den Euro ein verhängnisvolles Projekt, "das jetzt noch humpelt, früher oder später explodieren wird". Im Gegensatz zu Premier Cameron und seinem Finanzminister George Osborne, die eine gestärkte Fiskalunion - innerhalb der Eurozone - befürworten, sagte Johnson, dass die Pläne für die Fiskal- und Bankenunion "eine schlechte Situation noch verschlimmern würden". Diese seien zudem "antidemokratisch und daher intellektuell und moralisch verwerflich". Man könne nicht mehr länger so tun, als ob Großbritannien "im Herzen von Europa" sei. Nun sei dafür anlässlich der Vertragsveränderungen "etwa bei der Bankenunion" die Möglichkeit zu einem Befreiungsschlag gegeben: Jetzt könne man die britischen Bürger befragen, wie sie ihre Rolle in Europa zukünftig sehen wollen: "Wollt ihr in dem Binnenmarkt bleiben, ja oder nein?", sollte die Fragestellung lauten. "Brechen wir es herunter auf den Binnenmarkt. Streichen wir das soziale Kapitel. Streichen wir die Fischereipolitik." Er, Johnson, würde übrigens im Falle der Volksabstimmung eine Kampagne für einen Verbleib in der EU starten.

Damit ist Johnson seinem politischen Parteifreund und Rivalen Cameron zuvorgekommen, sind sich Beobachter einig. Denn Cameron hätte mit Sicherheit in seiner Weihnachtsansprache davon geredet, dass Großbritannien Vertragsänderungen mit der EU aushandeln könnte und dass über diese Entscheidung von den Bürgern in einem Referendum abgestimmt werden solle.